Wackelige Felsen und stabiler Leuchtturm am Südkapp – Norwegen Süd (Skandinavien 2022 Teil7)

Der Mittsommertag ist immer der Freitag, der dem längsten Tag im Jahr am nahesten ist – in diesem Jahr der 24. Juni. Dieser Tag beginnt in Skandinavien ganz normal aber ab der Mittagszeit ist jegliches Handeln auf den Mittsommerabend ausgerichtet. Für uns beginnt Tag bei strahlend blauem Himmel mit einer Radltour zum Eigeroy Fyr, einem Leuchtturm, der laut Bildern im Internet sehenswert erscheint. Wir hatten uns für die Räder entschieden, weil es eine Begrenzung auf 3,5t bei der Zufahrtstraße zum Parkplatz für die Wanderung zum Leuchtturm gibt. Und das ist auch gut so, denn die Straße ist an einigen Stellen wirklich nicht für größere Fahrzeuge ausgelegt. Ab dem Parkplatz, führt ein gut angelegter Wanderweg, der auch mit dem Fahrrad befahrbar ist (wenn es einem nichts ausmacht, dass man ab und zu absteigen muss um sich durch die mit Federkraft selbst schließenden Viehgatter zu schlängeln).

Irgendwann geht’s dann nur noch zu Fuß auf die Klippen weiter, wo man oben mit überragender Aussicht und kräftigem Wind belohnt wird.

Eigentlich ist der Wind angenehm aber doch tückisch, weil man nicht mehr wahrnimmt, wie die Sonne herunterbrennt; das lernen wir aber erst am Abend. Jetzt saugen wir erstmal den weiten Blick aufs Meer in uns auf und machen uns dann auf den Rückweg und zu einer Sehenswürdigkeit namens Hvalkjeften, was übersetzt Walkiefer heißt. Es soll sich nach Auskunft einer freundlichen Norwegerin um eine Felsformation handeln, die irgendwie an einen Walkiefer erinnern soll – aber nur wenn man an der richtigen Stelle in die richtige Richtung blickt. Ja, und das ist nicht so einfach, denn wo nun dieses „Bild des Walkiefers“ zu sehen ist, ist nicht weiter ausgeschildert. Der Zustrom von Touristen, die das Naturphänomen sehen wollen ist auf uns selbst begrenzt und daher versuchen wir an jeder Ecke den vermeintlichen Walkiefer zu entdecken. Ganz ehrlich, wir können heute nicht sagen, ob wir ihn gefunden haben oder nicht – so sind Mythen eben.

Von unserem Stellplatz aus beobachten wir (wieder bei Sonne und Wind) später das geschäftige Treiben an der nahen Bucht am Platz des Mittsommerfestes. Eine in Judoanzügen gekleidete Gruppe führt Tänze im Meer auf, ein großes Zelt war aufgestellt worden und immer mehr Menschen strömen in Richtung des aus Holzpaletten aufgestapelten Turmes, der dann später als Sonnwendfeuer in Flammen aufgehen soll. Kurz vor 19.00 Uhr – denn auf Dunkelheit zu warten wäre ja vergeblich – brennt der aufgestapelte Turm lichterloh und leider brennen auch unsere Gesichter aufgrund der vielen Sonne während des Tages.

Das Mittsommerspektakel ist bereits kurz nach 21.00 Uhr vorbei, das Zelt wird abgebaut, ein Traktor schiebt die glühenden Überreste des Holzstapels zusammen.

Einige Touristen, die gerade auf dem Weg nach Norden sind und hierher aus Kristiansand über die als lohnenswerte Straße Fv44 gekommen sind, berichten wie eng und kurvenreich diese Straße ist und welche Abenteuer sie schon bis hierher bestanden haben. Der besagte Straßenabschnitt liegt ja noch vor uns und so sind wir gespannt, was uns wohl erwarten wird. Auf den ersten rund 40 Kilometern in Richtung Süden zum Ruggestein können wir nichts Spektakuläres über den Straßenverlauf berichten. Die Straße verläuft landschaftlich schön immer wieder durch Felsen hindurch und ist zwar nicht großzügig ausgebaut aber aus unserer Sicht (insbesondere mit der Erfahrung aus der 520 ) eher harmlos.

Der Ruggestein heißt übersetzt „Wackelstein“, soll angeblich ganze 74 Tonnen wiegen und sich bewegen lassen. Tatsächlich gelingt es mir mit etwas Kraft, den Stein um ca. 2 Zentimeter hin und her zu wackeln. Da fühlt man sich doch gleich wie mit übermenschlichen Kräften ausgestattet.

Auf der abenteuerlich in den Fels gehauenen Fv44 steuern wir die nächste Sehenswürdigkeit an, die Hellaren.

Würden die zwei einfachen Holzhäuser einfach irgendwo stehen, würden sie keinerlei Beachtung finden. Aber da diese Häuser sich unter einem gigantischen Felsvorsprung Schutz gesucht haben, sind sie eine Sehenswürdigkeit.

Und ein paar Meter weiter stoppen wir noch einmal, um die Trallebanen zu fotografieren. Die Trallebanen ist eine Art Materialaufzug auf Schienen, der steil nach oben führt. Theoretisch könnte man auf den Schwellen der sicher schon lange nicht mehr genutzten Bahn – ein Wägelchen steht noch am Ende der Schienen – nach oben zum Berg Flad klettern, um die Aussicht auf den Fjord zu genießen aber wir sind ja gerade erst auf der Straße von oben mit Blick auf den Fjord gekommen. Was letztendlich mit der Bahn transportiert worden war, konnten wir bislang leider nicht recherchieren.

Wir haben uns für heute in den Kopf gesetzt, in Kirkehamn auf der Insel Hidra zu übernachten. Also gehen wir zunächst weiter auf die Suche nach den risikoreichen Stellen auf der Fv44 – finden aber nach wie vor nur eine Straße, die zu unserer Freude die Landschaft sehr geschickt in Szene setzt ohne uns in irgendwelche Bedrängnis zu bringen. Wir biegen kurz vor Flekkefjord nach Kvellestrand ab und hoffen, dass wir noch eine Fähre auf die Insel Hidra bekommen. Alles kein Problem, wir erwischen die Fähre und lassen uns Dank unserer Fährenkarte für nur ein paar Euros zum Fähranleger nach Launes auf der Insel Hidra schippern.

Auf einer kleinen Straße bringen wir die letzten 6 Kilometer bis Kirkehamn hinter uns. Am Hafen haben sich schon einige Wohnmobile eingefunden – ausnahmslos Norweger. Es ist 18.00 Uhr und wir erfahren, dass wir zum Skalldyrfestival eine Stunde zu spät kommen sind. Dieses Festival findet einmal im Jahr statt und die Gäste haben die Möglichkeit, am ganzen Nachmittag für einen festen Betrag ihren Hunger mit Schalentieren; also Krebsen, Krabben etc. zu stillen. Dass wir dafür zu spät gekommen sind, ist natürlich schade und uns bleibt nichts anderes übrig als zum Abendessen am Wasser zu grillen.

Eigentlich auch nicht schlecht. Wir wollen uns nach dem Essen gerade noch auf ein Bierchen neben unseren Rudolph setzen, da spricht uns eine Norwegerin auf Englisch an, dass wir doch auf keinen Fall alleine sitzen und uns mitsamt unseren Stühlen zu ihren Freunden gesellen sollten. Dort wird Musik gemacht; einer der Freunde hat ein Akkordeon dabei, seine Frau spielt E-Gitarre und man versichert uns, dass sie gerne in Deutschland Urlaub machen und Deutsche auch in Norwegen gerne gesehen sind.

Wir dachten eigentlich, dass das große Zelt am Ende des Hafens ein Überbleibsel des Schalentierfestivals sei aber wir hatten uns getäuscht. Immer mehr Menschen steuern das Zelt an, aus dem dann ab 22.00 Uhr bis spät in die Nacht richtig gute Musik strömt.

In Kirkehamn werden offensichtlich alle Festivitäten rund um Mittsommer gelegt und man kann so von einer Fete in die nächste purzeln; denn Mittsommer ohne ausreichend Alkohol ist eher undenkbar…   Kirkehamn ist ja schon ziemlich weit im Süden Norwegens, so dass wir zwar in der Zeit um den längsten Tag des Jahres liegen es aber dennoch um Mitternacht fast ganz dunkel wird und sich die Lichter der Häuser am Hafen romantisch im Wasser spiegeln.

Am nächsten Tag nehmen wir denselben Weg zurück von Kirkehamn zur Fähre, biegen nach der Überfahrt auf die E39 ein, überqueren bei Feda auf der imposanten Fedafjord-Hängebrücke den gleichnamigen Fjord um gleich nach der Brücke im knapp 2 Kilometer langen Teistedaltunnel und nach einem kurzen Tageslichtabschnitt im 3 Kilometer langen Vetlandtunnel wieder zu verschwinden.

Fedafjord-Brücke

Leider ist von dem schönen Abendhimmel nichts übrig geblieben; es nieselt trübe vor sich hin und man fühlt sich eher in den November als in den Hochsommer versetzt. Jeder Leuchtturm ist ein wenig anders, weshalb wir uns den Lista Fyr auch noch anschauen wollen. Aber aufgrund des regnerischen Wetters kann man den Lista Fyr, der nun wirklich so aussieht, wie man sich einen Leuchtturm vorstellt, noch nicht einmal richtig fotografieren. Bis zur Leuchtkuppel hoch zu kraxeln, um dann die nicht vorhandene Aussicht zu genießen, verkneifen wir uns und lassen uns im Hafen von Borhaug direkt am Hafenbecken nieder.

Das Wetter wird besser – na ja, sagen wir mal, trockener – so dass wir ohne Regen bis zum Ende der ewig langen Hafenmole wandern können.

Nach einer ruhigen Nacht und wieder besserem Wetter geht die Reise über Farsund und immer möglichst nahe  an der Küste verlaufenden Sträßchen wieder Richtung E39. Im Augenwinkel sehe ich einen Hafen mit seltsam anmutenden Schiffen an der Halbinsel Halmsund. Das müssen wir näher erkunden. Egal von welchem Winkel aus wir die Schiffe ansehen; uns kommt kein zündender Gedanke, was der Nutzen sein könnte. Nebenbei bemerkt machen die Schiffe auch den Eindruck als wären sie bereits an ihrem Lebensabend angekommen.

Auf einem menschenleeren Firmengelände in einer Riesenhalle beschäftigt sich gerade ein einsamer Mann mit der Beladung seines Lkw. Holzplatten und Paletten sind in der Halle gespeichert. Der Mann erklärt mir freundlich in gebrochenem Englisch, dass er mit den Schiffen nichts zu tun hat und keine Ahnung hätte, zu welchem Zweck sie gebaut worden waren. Ein paar hundert Meter weiter freut sich ein Mitarbeiter in einem Handel für Fischer und Sportboote über mich als neuen Kunden. War wohl nichts – ich stelle wieder die Frage nach dem Zweck der Schiffe und er sagt, dass – soweit er weiß – es sich um Schiffe zur seismologischen Untersuchung des Meeresbodens handle. Also eventuell hochtechnisierte Suche nach Bodenschätzen. Die Schiffe liegen wohl schon eine Zeitlang vor Anker und er wüsste auch nicht, ob sie je wieder verwendet werden sollen oder gar abgewrackt werden. Im Nächsten Fjord, soll es auf alle Fälle noch mehr von den futuristisch aussehenden Forschungsschiffen geben. Die App MarineRadar spuckt als Zweck nur „Forschungsschiff“ aus und nennt 2011 als Baujahr und Nassau auf den Bahamas als Heimathafen. Für Baujahr 2011 sehen die Schiffe reichlich – na sagen wir mal „gebraucht“ aus.

Wir bleiben immer noch südlich der E39 auf den kleinen Straßen bis wir in Baly Brygge ankommen. Baly Brygge macht auf uns den Eindruck eines etwas sterilen, für den Tourismus aus dem Boden gestampften Ortes mit größtenteils nagelneuen Ferienhäusern inklusive Bootshäusern anstatt Garagen, einem unromantischen Hotel mit vielen Meerblick-Zimmern und dem Restaurant „Under“.

Das Restaurant macht von außen den Eindruck als sei ein Betoncontainer versehentlich ins Meer gerutscht. Tatsächlich ist der Betonklotz absichtlich ins Meer gerutscht, damit ein Teil unter der Wasseroberfläche liegt und den Gästen das Dinieren auf höchstem Niveau aber unterhalb der Wasseroberfläche ermöglicht.

Das Restaurant öffnet nur abends und bietet, soweit wir im Internet recherchieren konnten, ausschließlich ein 18-gängiges Menü zu einem Preis an, der für zwei Personen alternativ auch eine weitere Reparatur unseres Rudolph ermöglicht hätte. Getränke kommen noch dazu. Also nix mit Krabbenbrötchen oder Lachs in Dillsauce. Wir sind uns nicht einmal sicher, ob das Restaurant zu dieser Zeit überhaupt geöffnet hätte; denn die Tür war versperrt und es gab keinerlei Hinweis auf Tischreservierung etc. Also brauchen wir unsere Reisekasse nicht noch weiter strapazieren und beschränken uns darauf, die Videos zum Bau und Bilder über das Innenleben des Restaurants in einem Informationskiosk zu betrachten.

Gerade mal um eine Felsnase herum wacht ein überlebensgroßer aus Moos und anderem Grünzeug gebauter Hund über den Zugang zu einer Galerie in einem Holzhäuschen.

Die Galerie besteht aus sehr wenigen Bildern – eigentlich muss man Werken sagen, denn ein Screenshot auf hinterleuchtetem Glas zeigt z.B. den Schiffsverkehr aus der MarineRadar-App im Nachtmodus und kann doch nicht einfach als „Bild“ bezeichnet werden – sieht aber dennoch ansprechend interessant aus. Leider können wir hier kein Foto anbieten.

Von den Ohrenquallen und den Spiegeleiquallen haben wir sehr wohl Fotos, denn diese beiden Quallenarten tummelten sich in Großfamilien entlang der nahen Bootsstege.

Die meisten Reiseführer empfehlen dringend den Besuch des Lindesnes Fyr, eines Leuchtturms, der sich diesmal an der südlichsten Spitze Norwegens befindet. Vor dem Leuchtturm erstreckt sich ein riesiger Parkplatz, auf dem man gegen Gebühr auch mit dem Wohnmobil übernachten darf – sofern noch ein Platz frei ist.

Die Touristen strömen in Scharen, bevölkern das Besucherzentrum mit angeschlossenem Cafe und Souvenirshop. Mit dem Lösen der Eintrittskarte darf man auf das Gelände des Leuchtturms und auch in den Leuchtturm selbst. Da der Leuchtturm, wie üblich, an exponierter Lage mit guter Sicht aufs Meer gebaut wurde, hatten sich während des zweiten Weltkriegs auch noch ein paar Bunker dazu gesellt.

Wenn auch durch den Leuchtturm das Südkapp gekennzeichnet wird, so ist er für uns, die südwärts reisen, anders als für die meisten anwesenden Touristen, einfach ein weiterer Leuchtturm. Da die Saison in Norwegen gerade begonnen hat, ist dieser Leuchtturm für die Reisenden, die gerade in Kristiansand mit der Fähre angekommen sind, eines der ersten Sehenswürdigkeiten in dem Land mit den schroffen Küsten und eben den vielen Leuchttürmen.

Der Parkplatz übt für uns bezüglich der Übernachtung keine übermäßige Anziehungskraft aus, weshalb wir noch einmal 30 Kilometer zu einem ruhigen Campingplatz fahren, wo wir die idyllische Abendstimmung genießen dürfen.

Im Hafen von Kristiansand erleben wir einen Mix aus einem alten Dreimastsegler, einem in modernster Architektur gebauten Verwaltungsgebäude, einem völlig überdimensionierten Kreuzfahrtschiff für 6600 Passagiere und 1500 Besatzungsmitglieder und einem fast nagelneuen Katamaran, der auch große Wohnmobile und Sattelschlepper in seinem Maul wie kleine Fische einsaugt und uns mit 51.000 PS nach Dänemark bringen soll.

Die Überfahrt mit gut 65km/h findet für uns inklusive  Snackbuffet in der Lounge unterhalb der Brücke statt.

Vom Hafen Hirtshals in Dänemark sind es bis nach Hause mehr als 1100 Kilometer, so dass wir noch ein paarmal Zwischenstation machen. Der erste Stopp ist in Aarhus, der zweite dann in Gadebusch auf einem Wohnmobilstellplatz, den wir im vergangenen Jahr als erste Besucher nach der Eröffnung genutzt hatten. Stolz zeigt uns der Betreiber, was sich seit dem vergangenen Jahr geändert hat. Es gibt jetzt neue Sanitäranlagen, man kann auf der Wiese richtig schön im Grünen stehen, kann den Pavillon zum Grillen nutzen oder wenn einem danach ist auch Wein oder hochwertiges Hundefutter kaufen.

Nicht zuletzt könnte man theoretisch nach der Besichtigung seines fast 30 Jahre BMW-Cabrios sogar eine Ersatzpflugschar oder andere Teile für landwirtschaftliche Maschinen kaufen, denn das ist eigentlich das Hauptbusiness des sympathischen Stellplatzbetreibers.

Ganze 25 Kilometer weiter in Richtung Süden entdecken wir eine gigantische Halle, die teilweise auf hohen Stelzen steht. Es ist die Ganzjahres-Skihalle Alpincenter bei Wittenburg.

Wir kommen gerade aus einem Land, in dem wir auf den aus dem Schnee gefrästen Straßen gefahren waren, mit Skilangläufern, die den in höheren Lagen noch reichlich vorhandenen Schnee zur sportlichen Betätigung nutzten, mit Temperaturen, die selten an die 20°C-Marke herangekommen waren und stehen jetzt bei 30°C vor einem Gebäude mit Adresse „Zur Winterwelt“, das mit hohem Energieaufwand auch das Skierlebnis im Sommer ermöglicht. Jedem das Seine denken wir uns und Schmunzeln über den Wegweiser zum Alpincenter…

Nach einem weiteren Stopp in Thüringen steht noch der Besuch der Enkelkinder, die Oma und Opa nach fast zwei Monaten endlich wiedersehen wollen, an und dann geht’s mit den unterschiedlichsten Eindrücken einer äußerst abwechslungsreichen Reise wieder nach Hause, wo wir beim Sortieren der Unmengen Fotos die Tour noch einmal Nacherleben können.

Und das war die ganze Reise

Ausgebremst und dann unters Meer – Norwegen (Skandinavien 2022 Teil 6)

In Sauda können wir beim Frühstück am Meer beobachten, wie ein riesiger Frachter mit zwei Bugsierschiffen in Richtung Anleger des Sauda Schmelzwerks geschoben wird, wo mit der Ladung des Frachters dann hochwertige Manganlegierungen hergestellt werden.

Bei der Weiterfahrt bleiben wir der 520 treu, die jetzt aber wieder zur „harmlosen“ Uferstraße geworden ist. Kurz bevor wir zum kleinen Fähranleger von Ropeid abbiegen – der nach unserem Eindruck nur noch selten in Betrieb ist – passiert dann wieder etwas Unerwartetes.

Rudolph macht mit der gelben EDC-Kontrollleuchte auf sich aufmerksam, reduziert die Motorkraft auf ein Minimum und versucht sich bei einer Maximalgeschwindigkeit von 30km/h von irgendeinem Wehwehchen zu erholen. Für mich als Fahrer ist das weniger erholsam als vielmehr erschreckend. Also lassen wir uns langsam zum Fähranleger rollen, machen den Motor aus und befragen das Internet, was wohl unser Problem sein könnte. EDC steht für „Electronic Diesel Control“ und verwaltet die optimale Mischung aus Luft und Diesel für den Antrieb. Wesentlich schlauer bin ich mit diesen Informationen auch nicht geworden. Also tue ich das, was jeder andere Laie auch tun würde; ich starte den Motor einfach neu und siehe da, die Kontrollleuchte ist erloschen, der Motor läuft rund und wir fahren vom Fähranleger wieder zurück zur Kreuzung der 520 mit der 46. Blöde Elektronik denken wir uns und sind froh, dass Rudolph wieder zu alter Frische zurückgefunden hat und jetzt auf der 13 weiterrollt. Unser Plan war, uns mit ein paar Fjordüberquerungen nach Westen vorzuarbeiten und dann mit der langen Fähre von Arsvagen nach Mortvika und Richtung Stavanger zu fahren. Das wären laut Google 162 Kilometer. Nach ca. 10 Kilometern wird unser Plan allerdings erneut durch die EDC Leuchte und Leistungsschwund ausgebremst. Glück im Unglück haben wir, weil uns das Problem in Norwegen ereilt – in einem Land, in dem der Sicherheitsabstand immer eingehalten wird. In Deutschland wären die mit wenigen Metern Abstand hinter uns Fahrenden bei der plötzlich absackenden Geschwindigkeit schon laut hupend und schimpfend in das Heck von Rudolph gekracht – was das Problem auch nicht gelöst hätte. Entweder – so überlegen wir – ist uns Rudolph böse, dass wir seine Verstimmung beim ersten Mal nicht ernst genommen hatten oder wir sind ein Opfer der Trolle geworden, die ja angeblich nur darauf warten, irgendjemandem einen Streich zu spielen. Da wir nicht wissen, wie oft uns die Elektronik noch ausbremsen wird oder ob wir dann irgendwann komplett stehen bleiben, scannen wir das Internet vorsichtshalber nach der nächsten IVECO Werkstatt, die in einem Vorort von Stavanger sein soll und täglich um 15.30Uhr schließt. Bis dorthin sind es noch gut 110km Landstraße – es ist jetzt 13.45Uhr – also heute nicht zu schaffen. Daher steuern wir den schön im Grünen und am Meer gelegenen Stellplatz in Halandsosen an, genießen den Abend und hoffen, dass Rudolph und/oder die Trolle so gnädig gesonnen sind, dass wir am nächsten Tag die IVECO-Werkstatt erreichen können.

Noch mindestens zwei oder drei Mal werden wir durch EDC schlagartig vom sportlich sprintenden Rentier zum kränklich humpelnden Rentier. Auf der Fähre von Nesvik nach Hjelmeland steht neben uns ein uralter Citroen 2CV Kombi, der aus Frankreich kommend die Welt erkunden möchte und den wir noch ein paarmal wiedersehen werden. Trotzdem der alte 2CV extrem schwach motorisiert ist, kann er uns an der nächsten Steigung locker überholen, weil wir mal wieder in den Kriechgang zurückgeschaltet wurden. Ein touristisches Highlight und eine besondere Herausforderung für unser lahmendes Rentier liegt noch vor uns – der Ryfylketunnel, der uns unter dem Meer durch nach Stavanger bringen soll. Der Ryfylketunnel wurde erst vor zwei Jahren eröffnet, ist 14,4 Kilometer lang und verläuft an der tiefsten Stelle 291m unter der Meeresoberfläche. Damit ist er der längste und tiefste Straßentunnel der Welt. Wir sehen zwar das Risiko des nächsten EDC-Problems mitten im Tunnel (es wäre sicher eine interessante Bereicherung unserer Reise, wenn wir Pannenhilfe im Tunnel bräuchten), wollen aber doch nicht auf die Fähre ausweichen, weil wir mit der Tunneldurchfahrt (wenn keine Probleme auftreten) deutlich schneller als mit der Fähre in der Werkstatt sein würden.

Im Tunnel können wir sogar den französischen Oldtimer Weltenbummler wieder überholen und folgen bei strömendem Regen unserem Navi zu IVECO. Zumindest denken wir das, bis wir in wenig besiedeltem Gebiet in einer Sanddünenlandschaft plötzlich nahe am Meer sind. Mist – Anstatt IVECO als Ziel einzugeben, hatte ich einen Campingplatz angeklickt, den wir NACH dem Werkstattbesuch anfahren wollten. Und so nähern wir uns unaufhaltsam der Schließung der Werkstatt an diesem Freitag schaffen es aber doch noch, 45Min. vor dem für die Mechaniker beginnenden Wochenende auf den Werkstatthof zu rollen. Sehr kundenorientiert kümmert sich auch gleich ein Mechaniker mit seinem Computer um Rudolph. Der Computer spuckt als Ergebnis aus, dass eventuell irgendetwas mit dem Turbolader nicht stimmt. Ein Schubgestänge für die Verstellung des Turboladers wird geschmiert, die Mechaniker wünschen uns viel Glück bei der Weiterfahrt und gehen ins Wochenende. Wir hoffen, dass das Problem erledigt ist, und lassen uns jetzt zum zweiten Mal zum Campingplatz Oelberg führen. Der Regen prasselt herunter und wir stellen uns auf das erstbeste Stück Wiese. Ein Erkundungsspaziergang am Abend führt uns zu einem Bunker aus dem zweiten Weltkrieg, der oben auf einer Felsnase mit strategischer guter Sicht gebaut worden war.

Ab diesem Zeitpunkt werden wir immer wieder die noch verbliebenen und nicht kaputt zu kriegenden Forts und Bunker an der Westküste Norwegens als trauriges Erbe des Krieges finden. Der nächste Tag beginnt mit Sonne und wir wechseln erstmal den Platz, um unser Lager dann direkt hinter den Dünen aufzuschlagen. Wir entscheiden uns für einen Ausflug, der als ausgewiesener Wanderweg um die Felsnase herum empfohlen ist. Wir kraxeln Klippen hinauf, stapfen mit den Weidekühen durch sumpfige Wiesen und überklettern Weidezäune – aber wir genießen auch die schönen Blicke auf dem Rundweg.

 Am darauffolgenden Sonntag biegen wir gerade vom Campingplatz auf die Straße, da sehen wir auf einer Wiese gegenüber eine Vielzahl alter VW-Busse und VM-Käfer. Der VW-Klubb veranstaltet hier ein Treffen und das müssen wir natürlich in unserer Kamera mit nach Hause nehmen.

Der Himmel verfärbt sich schon wieder gefährlich in Richtung dunkelblau aber wir lassen uns davon nicht beeindrucken und steuern die drei im Felsen steckenden Riesenschwerter in Stavanger an.  Das Monument „Sverd i Fjell“ soll an das Jahr 872 erinnern, in dem Harald Schönhaar Norwegen zu einem Königreich geeint hatte. Das Denkmal selbst symbolisiert mit den drei Schwertern Frieden, Einheit und Freiheit und ist erst im Jahre 1983 entstanden. Für das obligatorische Foto suchen wir vergeblich nach einem Parkplatz – keine Chance, denn an diesem Wochenende findet ebenfalls zum Gedenken an das Jahr 872 hier ein Wikingerfest statt und die Norweger strömen trotz mittlerweile heftigem Regen aus allen Richtungen heran. Für mein Erinnerungsfoto parke ich einfach kurz neben der Straße, nehme patschnasse Kleidung in Kauf und stapfe durch tiefe Pfützen, um das ersehnte Erinnerungsfoto zu bekommen. Noch nie hatte ich derart nasse Bilder geschossen.

Das Wikingerfest können wir aufgrund des nicht vorhandenen Parkplatzes und wollen wir auch aufgrund des Wetters nicht besuchen. Wir starten daher wieder und wollen in Richtung Süden an der Nordseeküste entlang fahren. Leider hatten sich doch wieder die Trolle eingeschlichen und schalteten nach wenigen Kilometern erneut die EDC-Kontrollleuchte mit dem bekannten Leistungsverlust an. Wir überlegen, ob es Sinn macht, zu versuchen, möglichst weit in den Süden zur nächsten IVECO-Werkstatt in der Nähe  von Kristiansand zu kommen, geben den Plan aber nach dem nächsten „Trolleingriff“ nach 30 Kilometern auf. Zurück zur Werkstatt in Stavanger sind es 40 Kilometer, bis nach Kristiansand knapp 200 Kilometer. Also wieder zurück. Im Industriegebiet direkt vor der Werkstatt übernachten wir und leisten uns als einziges echtes Highlight an diesem Sonntag eine hervorragende Pizza bei einem Spaziergang rund um unseren „idyllischen“ Übernachtungsplatz.

Bei Öffnung der Werkstatt am Montagfrüh um 7.00 Uhr stehen wir  wieder auf der Matte und  der Norweger an der Kundendienstannahme meint: „then we have to do something“. Er schiebt uns am selben Tag ein und um die Mittagszeit herum ist die Ursache gefunden. Ein Luftschlauch am Turbolader ist aufgerissen, die Luft entweicht bei Belastung und gelangt nicht mehr in den Motor.

Da das Ersatzteil nicht verfügbar ist und eine Bestellung 2 Tage dauern würde, bietet uns der Mechaniker an, den identischen Schlauch aus dem Vermietfahrzeug der IVECO-Werkstatt auszubauen und bei mir einzubauen. Um 13.30 Uhr ist der Spuk vorbei – die Trolle ziehen wahrscheinlich beleidigt ab, weil sie nicht gewonnen hatten – unsere Reisekasse ist um 500€ leichter geworden und Rudolph kann wieder tief durchatmen und bietet auch Leistung ohne Ende. Der Mechaniker konnte sich zwar den Schaden nicht richtig erklären aber letztendlich deuteten die vielen nadelartigen Einstiche in den Schlauch, die dann zum Aufreißen unter Druck geführt hatten, nicht auf das Werk von Trollen sondern eher von einem Marder hin. Wahrscheinlich hatten wir den Schaden schon lange im Gepäck und bei den anstrengenden Berg- und Talfahrten hatte der Schlauch eben irgendwann den Geist aufgegeben. Wir sind jedenfalls froh, dass wir wieder nach Stavanger zurückgefahren waren und jetzt noch knapp 10 Tage Sightseeing in Südnorwegen vor uns hatten.

Nochmals steuern wir den Campingplatz Oelberg an – die Strecke ist uns ja mittlerweile wohlbekannt – sehen auf dem Weg eine Neubausiedlung, bei der an einem Hang eine maximale Anzahl von (wahrscheinlich teuren) Häusern mit Meerblick gebaut worden waren und erholen uns von dem Schrecken bei strahlendem Sonnenschein am Strand.

Die weiteren „bahnbrechenden“ Ereignisse sind, dass Almut Seetang findet, der das Aussehen von grünen extrem langen Spaghetti hat und in einiger Entfernung mal wieder ein Kreuzfahrtschiff vorbei zieht.

Auf dem Nordsjövegen folgen wir dem Hinweis auf einen uralten Friedhof bei Bore. Nun ja, von dem Friedhof sind noch eine frisch gemähte Wiese und ein paar wenige in der Wiese liegende Grabsteine übrig. Der Ort ist idyllisch aber es ist schon etwas Phantasie gefragt, um sich hier ein Kulturdenkmal vorzustellen…

Ein Stück später, in einsamer landwirtschaftlich genutzter Landschaft fallen uns riesige Hallen auf. „Industrie mitten in der Landschaft?“ grübeln wir. Nein, wir sind in der Region angekommen, in der die schmackhaften (und die schmecken wirklich gut) norwegischen Tomaten wachsen. Natürlich in Gewächshäusern und natürlich mit künstlicher Beleuchtung, damit der Ertrag auch in den weniger lichtintensiven Monaten gesichert werden kann.

So, und ab jetzt weisen immer häufiger Leuchttürme auf die nahe Küste hin. Der Obrestad Fyr („Fyr“ steht für Feuer oder Leuchtfeuer) ist der erste und dabei auch ein Leuchtturm, der nicht die erwartete hohe, runde Form hat. Neben einem verschachtelten Haus, in dem es auch eine Gebetsstube gibt, findet sich die Glaskuppel auf dem eckigen Turm das Zeichen dafür, dass es sich um einen Leuchtturm handelt. Denn beim ersten Hinsehen, erweckt das Gebäude den Eindruck einer Kirche mit teilweise verglaster Kirchturmspitze. Für 50 NOK pro Person führt uns ein Mann durch das Gebäude, zeigt uns den großen Dieselmotor zur Stromerzeugung und zur Erzeugung des Luftdrucks für das Nebelhorn und erklärt einiges zur Geschichte des Leuchtturms.

Über eine schmale, steile und gedrehte Treppe dürfen wir auch ganz nach oben zur Glaskuppel mit den zu Linsen geschliffenen Scheiben, um das Licht auch möglichst weit draußen für die Schiffsführer sichtbar zu machen und sie vor Berührung mit den Felsen vor der Küste zu bewahren.

Noch einmal lassen wir uns von unserem Reiseführer zum Besuch eines alten Friedhofs ein paar Kilometer überreden. Es ist der alte Friedhof von Varhaug. Wenn man deutsche Friedhöfe kennt, dann kann man nur wenige Gemeinsamkeiten erkennen. Der Friedhof ist noch ein Betrieb, auf einer Seite reihen sich in einer Wiese neuere Grabsteine  und auf der anderen Seite, neben dem Kirchlein, das gerade mal 12 Trauergästen einen Sitzplatz anbieten kann, stehen uralte Metallkreuze mit weitem Abstand in der Wiese. Richtige Gräber mit angehäufelter Erde und bunten Bepflanzungen sind scheinbar nicht üblich.

Aus dem am Leuchtturm noch trüben Wetter wird jetzt wieder heftiger Regen, so dass wir zunächst im „Café Rudolph“ eine  kleine Nachmittagspause einlegen – in der Hoffnung, dass das Wetter nicht unter dem Einfluss der Trolle steht und bald wieder freundlicher wird. Eine der von uns genutzten Stellplatz-Apps preist den kleinen Madland Hafen als geeigneten und kostenlosen Übernachtungsplatz an. Der Hafen wirkt verlassen und mit den dunklen Wolken auch etwas mystisch. Ein niederländisches Wohnmobil steht schon da; daneben gibt es noch ein einigermaßen ebenes Stück Wiese, welches wir uns aussuchen. Im Laufe des Abends kommen immer wieder ein paar Männer angefahren, die ihre Boote zu Wasser lassen um fischen zu gehen. Nur noch von Hobbyfischern würde der Hafen genutzt, weshalb übernachtende Wohnmobile auch nicht stören, erzählt man uns.

Zu der Zeit als noch richtige Fischkutter den Hafen angelaufen hatten, war wohl auch einmal sehr schlechtes Wetter gewesen, denn ein paar hundert Meter neben dem Hafen liegt der vor sich hin rostende Bug eines Fischkutters. Der Kapitän hatte wohl weder Leuchtfeuer noch Nebelhörner wahrgenommen oder der Sturm war einfach so stark gewesen, dass der Fischkutter sich nicht mehr steuern ließ. Das Wrack liegt, dem Grad der Verrostung nach zu urteilen, schon einige Jahrzehnte auf der Wiese, die eigentlich den dort weidenden Schafen vorbehalten ist.

 Bis auf die Rettungsaktion eines einwöchigen Kalbes, das zwischen die Felsbrocken auf der Weide geklettert war und von selbst nicht mehr herauskam, sind aus dem kleinen Hafen von Madland keine weiteren spektakulären Ereignisse zu berichten. Mit dem Leuchtturm von Kvassheim, nur wenige Kilometer weiter südlich, präsentiert sich uns wieder ein Gebäude, das so gar nicht das typische Klischee eines Leuchtturms bedient. Es könnte sich auch um ein kleines Industriegebäude oder ein landwirtschaftliches Lagerhaus handeln, wenn da nicht an der Seitenwand ganze 4 Nebelhörner montiert wären und auf dem Dach eine Art Panoramafenster mit der Lichtquelle richtig Meer blicken würde. Das Leuchtgebäude liegt an einem kleinen Fischerhafen und wird von uns als einer der weniger attraktiven Leuchtfeuer abgehakt.

Es ist der letzte Schultag in Norwegen, vom Schulgelände neben dem riesigen und menschenleeren Sandstrand von Bursand quäkt eine Stimme, die das Abschlusssportfest organisiert aus einem Lautsprecher, die Sonne scheint wieder – ein echter Relaxtag.

Nahe dem Hafenörtchen Sirevag findet sich das gleichnamige Küstenfort ebenfalls aus der Zeit des zweiten Weltkriegs. Ein riesiges Felsengelände ist komplett mit Gängen durchlöchert und oben drauf finden sich ein Paar Betonkuppeln  mit Sehschlitzen in Richtung Meer. Nicht auszudenken, wieviel Sinnvolles man mit dem vielen Geld, das hier für Felslöcher ausgegeben worden war (die auch noch niemals genutzt worden waren), hätte erreichen können. Aber die vermeintliche Intelligenz der Menschen fordert wohl immer wieder hohe Ausgaben, um Streit und Kampf zu finanzieren. Eigentlich seltsam.

Wenn man nicht auf die Verteidigungsanlage sondern nur auf den Hafen und das weite Meer blicken möchte, sollte man sich um eine der mit gläsernen Balkons versehenen Panoramawohnungen in Sirevag bemühen.

An der alten Bahntrasse kurz vor Egersund schlagen wir dann auf einem Wanderparkplatz unser Nachtquartier auf. Nur 8 Kilometer sind es auf der alten Bahntrasse nach Egersund. Also packen wir unsere Fahrräder aus und freuen uns auch eine gemütliche Radltour auf der sicherlich ebenen Bahntrasse. Weit gefehlt. Immer dann, wenn die neue Bahnstrecke einen Teil der alten Trasse nutzt, wird unser Weg steil nach oben über den Berg verlegt – so dürfen wir auf den wenigen Kilometern eine Berg-und Talbahn mit vielen steilen Anstiegen und Abfahrten nutzen, bis wir in der Altstadt von Egersund mit pittoresken Holzhäuschen und reichhaltig vorhandenen Baustellen ankommen.  Wir nutzen denselben Weg zurück und machen kurz Rast am alten Bahnhof, der offensichtlich zur typischen Urlaubszeit der Norweger nach Mittsommer zu einem Cafe- oder Biergarten erwachen wird. Tische und Bänke stehen schon auf der Wiese und warten auf die Mittsommerfeierlichkeiten am nächsten Tag.

Mal oben, mal unten – Norwegen (Skandinavien 2022 Teil 5)

Vom in dieser Jahreszeit noch wenig besuchten Campingplatz Utladal brechen wir in Richtung Laerdal auf. Wir wissen, dass in der Nähe von Laerdal mit 24,5km Länge der längste Straßentunnel der Welt beginnt. Auch wenn es nur ein Tunnel ist, sollte man das Erlebnis „Tunnel“ einmal mitgemacht haben. In Laerdal selbst gibt es den Altort und daher legen wir zunächst mal einen Stopp zur Besichtigung ein. Liebevoll renovierte alte Holzhäuser laden zu einem Spaziergang ein. Manche der Häuser sind verziert; so auch das altehrwürdige „Hotel Laerdal“. Ein paar Ecken weiter kann man sehen, wie nüchtern und – zumindest für uns – wenig einladend man mit viel Beton ein neues Hotel bauen kann, das keinerlei Flair ausstrahlt und so aussieht, wie tausende anderer Hotels auf der Welt. Wahrscheinlich sind wir einfach etwas zu romantisch.  

Laerdal zieht aber offenbar, wenn es nach den Autos geht, auch Reichtum an, denn die Bentleys, Porsches, Ferraris und Lamborghinis geben sich hier ein Stelldichein, das wir nicht erwartet hätten.

Bei mäßigem Wetter waren wir in Laerdal angekommen aber das Wetter hatte sich vom ersten Schritt in Laerdal an gebessert, so dass wir jetzt, nach einer sonnigen Kaffeepause und einem ausgiebigen Erfahrungsaustausch mit einem Ehepaar, das wir auf dem Rundgang durch Laerdal kennen gelernt hatten, beschließen, noch etwas Kultur zu genießen. Wir fahren zur ältesten Stabkirche Norwegens, der Kirche von Borgund und kommen gerade noch rechtzeitig vor der Schließung an. Und wer steht wieder neben uns auf dem Parkplatz, das Ehepaar aus Laerdal und so wird auch die Besichtigung wieder eine „gemeinsame Aktion“. Wir hätten uns also in Laerdal gar nicht verabschieden müssen. Ein Zimmermann aus Deutschland erklärt uns, dass mit den  namensgebenden Stäben der Kirche die tragenden Pfeiler gemeint sind, die jeweils komplett aus einem Baumstamm geschnitten sind. Wissenschaftlichen Untersuchungen zufolge wurde das Bauholz im Winter 1180/1181 gefällt. Von außen ist die Kirche mit Pech vorm Wetter geschützt – offensichtlich sehr erfolgreich, denn die Kirche hat als eine von ehemals über 1000 Stabkirchen mit weiteren 27 Kirchen die Jahrhunderte überlebt.

Die E16, eine wichtige Ost-West-Verbindung in Norwegen verläuft durch mehrere Tunnel. Parallel zu den Tunnels existieren aber immer noch die  alten Straßenabschnitte, die um die untertunnelten Berge herumführen. An einem Parkplatz an einer dieser Straßenabschnitte fast ohne Verkehr parallel zum Seltatunnel nisten wir uns für die Nacht ein und hören nur das Rauschen des Flusses, der wenige hundert Meter entfernt von uns in einem gewaltigen Wasserfall herunterkracht.

Und wer ist auch auf dem Parkplatz, natürlich Erika und Walter, das Pärchen, das wir in Laerdal getroffen hatten. Später am Abend werden wir von den beiden noch zu einem Wein eingeladen und tauschen dann Adressen und Telefonnummern aus mit der festen Absicht, den Kontakt auch in Deutschland nicht abreißen zu lassen.

Am nächsten Tag geht’s nach OBEN – wir steuern die Aurland-Passstraße an, die erst seit wenigen Tagen nach der Wintersperre wieder geöffnet worden ist. Mal sehen, was uns da oben erwartet. Das Wetter spielt mit, die Sonne scheint. Der Wegweiser sagt uns, dass wir nach 43 Kilometern in Aurland ankommen werden, welche Eindrücke wir unterwegs haben werden, wissen wir noch nicht. Die Verkehrsdichte auf der Straße kann man am besten mit den mitten auf der Straße ausruhenden Schafen beschreiben.

Wir fahren in sattem Frühlingsgrün einen Fluss entlang, das Navi zeigt einen stetigen Anstieg. Schon kurze Zeit später wechselt die Farbe Grün zu Weiß. Rechts und links der Straße stehen noch hohe Schneewände. Die Straße ist eng, so dass Anhalten zum Fotografieren nicht immer möglich ist. Aber am Flotvatnet gibt’s einen Parkplatz, so dass wir den Wasserfall, der über eine steile Felswand in den See stürzt, erwandern und natürlich auch fotografieren können.

Der Wind weht kalt. Ein paar Kilometer später ist die Passhöhe erreicht; Zeit für eine Kaffeepause mit überragendem Panoramablick aus unserem rollenden Cafe und wieder angenehmen Temperaturen im Sonnenschein.

Jenseits der Passhöhe haben wir das Gefühl, immer mehr in den Sommer zu fahren; beim Stegastein, einer gläsernen Aussichtsplattform mit wirklich atemberaubendem Blick über den Aurlandsfjord, strahlt die Sonne warm. Und wir scheinen gerade zum richtigen Zeitpunkt am Stegastein angekommen zu sein, denn nicht nur Touristen mit ihren PKW und Wohnmobilen parken hier, sondern auch ca. 20 blitzblank herausgeputzte Oldtimer verschnaufen hier von der Auffahrt aus Aurlandsvangen. Fast alles sind in Amerika hergestellte Fahrzeuge aus den 30er Jahren.

Wir freuen uns , dass wir wieder einmal zufällig zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort waren, denn 10 Minuten später machen sich die Oldtimer schon wieder weiter in Richtung Passhöhe auf und wir können in Ruhe den überwältigenden Ausblick von der gläsernen Plattform genießen.

Nach den letzten Serpentinen laufen wir in Aurlandsvangen ein und tanken erstmal, denn der Dieselpreis liegt bei „günstigen“ €2,29. Wir übernachten auf dem schön gelegenen Campingplatz und machen uns am nächsten Morgen auf zur Durchfahrt des Laerdaltunnels.

Eigentlich fahren wir so wieder zurück nach Laerdal aber wir wollen einfach einmal wieder durch den längsten Straßentunnel fahren. Ca. 5km nach Einfahrt in den Tunnel weitet sich die Tunnelröhre zu einer Art riesigen Grotte, die blau beleuchtet ist und den Eindruck einer Eishöhle vermittelt. Hier darf man sogar stehen bleiben (und fotografieren), was eine Gruppe Ferrarifahrer auch tut, bevor sie mit lautem Getöne umdrehen und wieder zurückbrausen. Im Laufe des Tunnels kommen noch zwei weitere „Eisgrotten“, die letztendlich auch dazu einen Beitrag leisten, die Fahrer aus der eintönigen Dunkelheit wieder aufzuwecken.

Wir waren ja in die verkehrte Richtung gefahren; daher drehen wir nach Verlassen des Tunnels wieder um, um die Tunneldurchfahrt noch einmal von der anderen Seite zu genießen. Grundsätzlich sind Tunnels in Norwegen keine Seltenheit und am Ende unserer Reise werden wir durch deutlich mehr als 50 oder 60 Tunnels gefahren sein und wer denkt, dass ich dabei jede kleine Eisenbahnunterführung mitgezählt habe, dem sei gesagt, dass nur Tunnels mit mehreren hundert Metern Länge und oftmals sogar mehreren Kilometer Länge gezählt wurden. Als wir nach der Rückfahrt in Aurlandsvangen wieder aus dem Tunnel fahren und an unserer Tankstelle vom Vortag vorbeikommen, ist der Dieselpreis um stolze €0,40 gestiegen – Glück gehabt.

Der nächste Stopp ist im Ort Flam, dem Ausgangspunkt der berühmten Flamsbahn, die ohne Zahnradunterstützung von Meereshöhe in Flam nach Myrdal in einer Höhe von 866m fährt. Auf halbem Weg ist ein Fotostopp an einem Wasserfall und eine Elfe singt mystische Lieder für die Touristen. Die Bahn bewirbt sich selbst mit dem Slogan „One oft he world’s most beautiful train journeys.“ Trotzdem lassen wir uns dieses Spektakel entgehen, weil wir es einerseits schon einmal vor vielen Jahren erlebt hatten und weil die Wolken den Regen irgendwie nicht am Himmel festhalten konnten und so die Bahnfahrt ein paar Punkte auf der Beliebtheitsskala nach unten gerutscht war.

Im Hafen finden wir neben dem vor sich hinrussenden Kreuzfahrtschiff MS Deutschland, das in 39 Folgen „Traumschiff“ seit 1999 die Hauptrolle gespielt hatte, den Hinweis auf das erste vollelektrische Schiff, dessen Batterien in nur 25 Minuten wieder aufgeladen sind und immerhin eine Reichweite von 40 nautischen Meilen (rund 70km) hat.

An dieser Stelle sei erwähnt, dass auch wir auf einigen rein elektrisch betriebenen Fähren über die Fjorde transportiert wurden. Die armdicken Kabel an den Anlegern waren nicht zu übersehen.

Am Parkplatz des Viking Valleys in Gudvangen, in dem die Wikingerwelt lebendig dargestellt werden soll, beschränken wir uns auf ein paar Fotos der von den Felswänden herunter stäubenden Wasserfälle und ein Softeis – das Leben der Wikinger müssen wir für €21.- pro Person nicht unbedingt sehen.

Etwas zu früh im Jahr versuchen wir festzustellen, wann die nächste Fähre durch das Weltnaturerbe Näroyfjord nach Kaupanger fährt und lernen, dass der Fährbetrieb erst in ein paar Wochen beginnt. Also machen wir uns wieder auf eine Bergfahrt, diesmal zum Stalheim Hotel. Das Hotel war ursprünglich aus Holz gebaut und ist dreimal abgebrannt, bevor man den genialen Einfall hatte, die vierte Version zumindest teilweise aus Beton zu bauen. Die Terrasse des Hotels bietet einen sehr schönen Ausblick in ein grünes Tal – heute allerdings nur, wenn man strömenden Regen mag.

Wir folgen dem Hinweis zum Skjervsfossen (Skjervswasserfall), aber das Wetter lädt nicht zu eine längeren Spaziergang ein – selbst der Troll, der im nahegelegenen Ort Granvin das Jaunsenhotel bewacht, hat schon seinen Schirm aufgespannt.

Durch den 7,5km langen Vallaviktunnel, an dessen Ende sich im Tunnel sogar ein Kreisverkehr befindet und der durch das mit 23m Höhe höchste Tunnelportal der Welt auf die imposante Brücke über den Hardangerfjord überleitet, fahren wir in Richtung Kinsarvik.

Von dort aus wollen wir mit der  Fjordfähre zunächst nach Utne  und von dort aus nach Kvanndal. Der ursprüngliche Plan wäre eine Übernachtung auf dem hoch über dem Sörfjord gelegenen Campingplatz Lofthus mit Aussicht sowohl auf den Fjord als auch auf  den Folgefonngletscher und einen der am höchsten herabstürzenden Wasserfälle zu übernachten aber das Wetter rät uns, den Plan wegen schlechter Sicht eher fallen zu lassen. Also zweimal Fähre fahren bis Kvanndal und dann weiter in Richtung Westen über die ebenfalls imposante Fyksesundbrücke in Richtung Norheimsund.

Warum Norheimsund? Ganz einfach dort findet man den Steindalsfossen. Diesen Wasserfall sollte man besuchen, weil man hinter dem Wasserfall durch die Felsen laufen kann und das ist ja nun wirklich nichts Alltägliches.

Das Städtchen Norheimsund mischt unterschiedlichste Baustile und wie es scheint, können durch die geschickte Bebauung wirklich viele Bewohner den Meerblick am Hardangerfjord genießen. Norheim besitzt sogar einen Stadtstrand, der bei unserem Besuch aber menschenleer war, weil bei knapp über 10°C Lufttemperatur und strömendem Regen noch nicht einmal die Norweger Lust verspürten, baden zu gehen, obwohl niedrige Temperaturen oder Regen oftmals kein Hinderungsgrund für ein Bad im Meer sind.

Vielleicht sollte ich bei dieser Beschreibung der lokalen Wetterlage einmal erwähnen, dass Freunde und Verwandte zur selben Zeit unter einer Hitzewelle in Deutschland mit bis zu 38°C litten. Ich überlasse es dem Leser darüber zu urteilen, wer nun zur rechten Zeit am rechten Ort war.

Natürlich wollen wir nicht denselben Weg, den wir gekommen waren, auch wieder zurückfahren. So fahren wir auf der 576 und der 48 in Richtung Süden bis nach Gjermundshamn, von wo aus die Fähren nach Arsnes und Varaldsoy ablegen. Zuerst übernachten wir noch auf einem nagelneuen Stellplatz in Royrane und verbringen eine wunderbar ruhige Nacht am See.

Wir wollen in Gjermundshamn nach Arsnes.

Ach ja, ich vermute mal, dass in keinem Reiseführer zu finden ist, dass man bereits auf dem Weg nach Norheimsund an einem Rastplatz vorbeikommt, dessen Toilettenhäuschen so künstlerisch gestaltet ist, dass es als Kulisse in der Verfilmung von „Herr der Ringe“ dienen könnte und dass man – sehr zur Freude unserer Enkelkinder – auf dem Weg von Norheimsund  nach Gjermundshamn durch einen Ort namens „OMA“ kommt. Für uns sind das zwei Erlebnisse, die die Reise noch etwas abwechslungsreicher gemacht haben, auch wenn sich vielleicht sonst niemand dafür interessiert oder die beiden Orte überhaupt wahrnimmt.

Vielleicht werden auch die immer wieder nahe des Ufers befindlichen runden Netzgebilde der Fischzuchtfarmen nicht bewusst wahrgenommen – aus unserer Sicht wird auch mit diesen Bildern das Land Norwegen beschrieben.

Direkt neben der Straße kommt der Furebergsfossen herunter und duscht die vorbeikommenden Fahrzeuge.

  In Sunndal erweckt ein alter Segler und ein kleines ganz im alten Stil renoviertes Hotel unsere Aufmerksamkeit. Wenn wir nicht unseren Rudolph dabei hätten, wäre eine Übernachtung in diesem Hotel sicher ein besonderes Erlebnis.

Wir übernachten ein paar Meter weiter direkt am Meer und beglückwünschen unseren Campingnachbarn zum Anglerglück. Er hat einen wirklich schön gezeichneten Fisch am Haken. Leider, so erklärt er uns, hat der Fisch – ein Petermännchen – eine Rückenflosse und einen Dorn auf dem Kiemendeckel, die außerordentlich spitz sind und bei Berührung leicht stechen können. Dabei wird ein Gift freigesetzt, das extreme allergische Reaktionen mit heftigen Schmerzen auslösen kann, die sogar zum Tod durch Herzstillstand führen können. Unser Nachbar muss nun versuchen, sein Anglerglück ohne sich zu verletzen vom Angelhaken zu bekommen, um den Fisch dann wieder irgendwie ins Meer bugsieren zu können.

Ich habe tatsächlich noch nie in meinem Leben geangelt und überlege nun, ob ich wirklich eine besondere Schwäche zeigen würde, wenn ich Fisch auch zukünftig im Fischgeschäft kaufen würde….

Wenn das Gebirge gerade keinen Schatten auf den Folgefonngletscher wirft, kann man von hier unten eine der Gletscherzungen sehen, die sicher noch vor wenigen Jahren leicht zu erwandern gewesen wäre. Jetzt hat sich die Gletscherzunge schon so weit zurückgezogen, dass sie nur noch durch eine Klettertour erreichbar ist.

Das ist uns zu anspruchsvoll und so genießen wir den Abend in der lange nicht untergehenden Sonne am Wasser.

Die lange nicht untergehende Sonne wird auch bis Mitternacht von den Bauarbeitern genutzt, die wenige hundert Meter vor Sunndal eine neue Tunnelröhre bauen. An einem Ende des zukünftigen Tunnels wird schon reichlich Gestein aus der Röhre geholt, am anderen Ende ist noch kein Loch gebohrt und das zukünftige Tunnelportal nur auf den Felsen mit Farbe aufgesprüht.

Auch einen Tunnel konnten wir bislang noch nicht in seinem Entstehungsprozess sehen und freuen uns daher, dass wir wieder einmal zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort waren.

In einem langen Tunnel unterqueren wir den Folgefonngletscher, um von Odda aus auf schmaler Schotterstraße zum Parkplatz des Buerbreen zu fahren. Auch der Buerbreen ist schon so weit zurückgegangen, so dass man ihn ohne Kletterei nicht mehr erwandern kann. Die vorgeschlagene mehrstündige Wanderung würde nur ermöglichen, dem Gletscher etwas näher zu kommen. Also drehen wir nach ein paar herangezoomten Fotos um,

hoffen dass auf der schmalen Straße niemand entgegenkommt, was leider nicht in Erfüllung geht und den entgegenkommenden belgischen Fahrer eines VW-Busses trotz möglicher Ausweiche (die er aus irgendeinem Grund nicht nutzen will) ins Schwitzen bringt. Letztlich haben wir das Problem dennoch gemeinsam lösen können. Da wir ja jetzt mal wieder OBEN waren, ist die nächste Sehenswürdigkeit, der gewaltige Latefossen an der E13 kurz nach dem Sandvesee wieder unten zu bestaunen.

Und wir wären nicht im gebirgigen Norwegen, wenn es danach auf der E 134 nicht wieder nach oben ins Skigebiet Röldal ginge. Vor den verlassenen Hallen, die im Winter die Skifahrer aufsaugen, um sie mit allerlei Aufstiegshilfen zu den besten Abfahrten zu bringen, kommen wir mit einem Norweger ins Gespräch, der uns voller Stolz seinen Ur-Bulli (noch mit geteilter Frontscheibe) vorführt, den er wieder vollständig restaurieren will – was auch dringend notwendig zu sein scheint.

Irgendwie ziehen uns kleine Straßen und dabei insbesondere kleine Passstraßen magisch an. Wir biegen daher auf die 520 ab ohne zu wissen, wie sehr dort unsere Begeisterung für kleinste Passstraßen „belohnt“ werden wird. Eigentlich hätte es uns stutzig machen sollen, wenn unser Navi mir partout keinen Weg über die 520 anbieten wollte. Auf fast 800m Höhe mit Schneewänden links und rechts der Straße, die für den Rudolph schon nicht großzügig bemessen war, passiert etwas völlig Unerwartetes. Uns kommt ein 40t-Sattelschlepper entgegen.

Und ein paar Kilometer weiter kommt der nächste an einer noch engeren Stelle entgegen.

Noch nie hatte Rudolph so eng (max. 10cm Abstand) mit einem anderen Fahrzeug gekuschelt – ohne sich dabei zu verletzen. Aber mit einigen Malen Vor und Zurück in einer kleinen Ausweiche haben wir es dann doch geschafft und sind danach auf die Stelle der Straße weiter zugefahren, die mein Navi gerne vermieden hätte. Die Staumauer eines künstlichen Sees, auf der die Straße maximal 2,70 breit war. Für Rudolph mit seinen 2,30m Breite geht’s gerade noch, für den Fahrer des Sattelschleppers, der ja auch zwangsläufig drübergefahren sein muss, war es wohl noch ein Stück anspruchsvoller gewesen.

Am Ende des Tages landen wir in Sauda am Meer bei der Motorbootvereinigung und haben einen prima Ausblick auf die Schiffe, die in den Hafen von Sauda einlaufen.

Norwegen ist erreicht (Skandinavien 2022 Teil 3)

Nach unserem Aufenthalt in Sysslebäck am Klarälven erreichen wir bald die Grenze zu Norwegen. Dass es sich um die Grenze zu Norwegen handelt, erfährt man nur, wenn man in den Rückspiegel schaut und dort das Schild mit „Riksgrense Sverige“ entdeckt. Auch das halb verfallene erste Haus auf norwegischer Seite deutet eher nicht auf das Betreten des reichsten Landes in Europa hin.

Nach kurzer Fahrt erreichen wir am Tyskensee eine Art Feriendorf mit einem Rastplatz, an dem wir in der Sonne erst mal Pause machen und den Frühling genießen.

Bei Velta überschreiten wir einen Fluss und auch hier – wie oft in Norwegen oder Schweden – wird die Idylle mit Blumenschmuck hervorgehoben.

Wir fahren an der Glomma entlang, die (oder der Glomma?) immer breiter wird und spiegelglatt ist wie ein See. Eine Brücke spiegelt sich ganz deutlich im Wasser und ab Evenstad fahren wir auf einem kleinen Sträßchen entlang dem permanenten Spiegelbild.

Kurz hatten wir überlegt, ob wir uns den Parkplatz einer alten Holzkirche als Übernachtungsplatz wählen sollen aber irgendwie kam uns das so vor, als würden wir auf dem Präsentierteller stehen und um Besichtigung bitten.

Über eine kleine Schotterstraße rumpeln wir zum Fluss herunter und untersuchen die Gegend nach einem netten Plätzchen. Ein Bewohner eines etwas oberhalb liegenden Bauernhofs, der uns natürlich sofort entdeckt hat, versucht mir zu erklären, dass es eigentlich ungünstig wäre, am Wasser zu stehen, weil vielleicht Traktoren vorbeikommen oder sogar Wasser aus dem Fluss holen wollen. Die von uns bevorzugte Stelle ist aber breit genug für Rudolph und mindestens zwei Traktoren und so versichere ich dem Mann, dass er keine Bedenken haben muss, weil ich jederzeit wegfahren könnte, wenn weiterer Platzbedarf wäre. Ich frage mich, wie diese in höflichem Ton geführte Diskussion wohl in Deutschland verlaufen wäre…

Später am Abend können wir die über der Glomma untergehende Sonne ausgiebig genießen – ohne störende Traktoren.

Regentropfen, die auf unser Dach prasseln wecken uns nach ruhiger Nacht am nächsten Morgen. Das Wetter ist mit dunklen Wolken wenig einladend – na ja; gerade gut um ein Stück Strecke zu machen. Eigentlich wollten wir parallel zur E3 wieder mal auf kleiner Straße fahren aber irgendwie hatte die passende Abzweigung verpasst und bin direkt auf der E3 gelandet. Für norwegische Verhältnisse ist die E3 sehr intensiv genutzt und wir wundern uns über die Riesentrucks, die scheinbar noch nichts von norwegischen Geschwindigkeitsbeschränkungen gehört haben, weil sie einfach dahindonnern, obwohl Geschwindigkeitsüberschreitungen auch in Norwegen richtig teuer werden können. Nach einigen Kilometern stellt sich heraus, dass es vielleicht gar nicht so schlecht war, dass wir auf der E3 gelandet sind. An Bäumen befestigte bunte Geweihe und nicht zuletzt ein ca. 10m hoher glänzender Stahlelch heißen uns im Elchreich willkommen. Der Stahlelch steht unübersehbar an einem Rastplatz, glänzt wie frisch geputzt und muss natürlich nicht nur von uns, sondern auch von anderen Touristen trotz Regen von allen Seiten fotografisch eingefangen werden.

Den Jutulhugget, einen riesigen Canyon, finden wir auf der Landkarte vermerkt und machen ihn zu unserem nächsten Ziel. An der Zufahrt zu der Schotterstraße, die zum Jutulhugget Naturreservat führt, hält uns ein überdimensionaler Holztroll eine Infotafel, auf der keine Infos zu finden sind, vor die Nase. Den Troll hatten wir schon vor mehr als 10 Jahren auf einer Reise fotografiert; also wird uns der Canyon wahrscheinlich auch bekannt vorkommen.

Dem Regen trotzend balancieren wir auf den nassen Felsen in Richtung Schlucht.

Trotz schlechten Wetters ist der Anblick sehr imposant. Der Canyon liegt gut 30km nördlich von Atna, so dass wir diesen Streckenabschnitt aus zwei Perspektiven betrachten können, weil wir ja eigentlich in Atna zum Friisvegen, einer 1158m hohen Passstraße abbiegen wollten. Also wieder zurück in Richtung Atna und hoch auf den Friisvegen. Bei echt nasskaltem Wetter kommt für diese Passstraße nur mäßige Begeisterung auf. Immer höher geht’s und immer kleiner werden die Blätter an den Bäumen.

Für einen Moment hatte wir die Idee, in einer der Nebenstraßen zu übernachten aber entweder war der Weg schon fast schlammig oder wir stünden in einer wirklich öden Landschaft. Nein, das kann nicht das Ziel sein. Wir rollen auf der anderen Seite der Passhöhe am noch im Winterschlaf befindlichen Masaplassen Touristsenter vorbei wieder hinunter in wirtlichere Gegenden.

Und siehe da, extra für unsere Fotos der Ringebu Stabkirche kommt die Sonne nochmal heraus bevor wir in Ringebu auf dem Campingplatz – bei wieder beginnendem Regen und Straßenlärm von der viel befahrenen E6 – den Tag ausklingen lassen.  Die Stabkirche von Ringebu ist komplett aus Holz gebaut. Der älteste Teil datiert aus dem Jahr 1220, das Querschiff ist 1630 dazugekommen. Es ist schon erstaunlich, wie lange diese Holzkirchen die Witterung überdauern ohne nennenswerten Schaden zu nehmen.

Für den kommenden Tag haben wir uns etwas Unaussprechliches vorgenommen – die Kvitskriuprestene – das sind Erdpyramiden, die entstehen, wenn viele Jahre der Regen weiches Gestein auswäscht und eine Pyramide mit einem schweren Stein obendrauf solange stehenbleibt, bis die Pyramide so dünn wird, dass das Gebilde zusammenbricht. So ist es einigen der Erdpyramiden in den letzten Jahrzehnten schon ergangen, wie Bilder von vor 20 und vor 30 Jahren an der Infotafel belegen. Glücklicherweise sind noch ein paar Kvitskriuprestene übrig, so dass sich unser steiler Anstieg und das Erklettern der langen Holztreppe gelohnt hat. Man erreicht den Parkplatz für die Sehenswürdigkeit nach Entrichten einer Gebühr mit Kreditkarte an einer Schranke über mehrere km enger unbefestigter Piste. Entgegenkommen sollten dabei idealerweise nicht allzu viele Fahrzeuge.

Bezüglich Wasserfällen sind wir ja noch nicht sehr verwöhnt. Daher halten wir auf dem Rückweg von den Erdpyramiden auf der E6 kurz vor Otta an, um einen – wie wir denken – beeindruckenden Wasserfall zu fotografieren. Wir konnten ja nicht ahnen, dass dieser Wasserfall im Vergleich zu den noch folgenden einen geradezu lächerlichen Eindruck macht.

Der nächste Wasserfall an der E136 – der Skogagrovafoss ist nicht so tosend, dafür stürzt das Wasser umso höher im freien Fall herunter – auch nicht schlecht.

Wir übernachten an einer Straße, die um einen Berg herumführt, der heute im Vagstrandtunnel durchfahren werden kann. Daher ist auf dieser kleinen Straße so gut wie kein Verkehr mehr und wir freuen uns auf eine ruhige Nacht. Zum Frühstück kommt das Kreuzfahrtschiff AIDAperla auf dem Weg nach Andalsnes vorbei.

Leider schwächelt das Wetter wieder etwas, weshalb wir nach der Fahrt über die elegant geschwungene Tresfjordbrücke nur einen Spaziergang zu drei weiteren sehenswerten Brücken unternehmen.

Es sind die Straumenbrücken bei der Stadt Skodje; eine neue und zwei alte. Die älteste aus dem Jahr 1916 war bei ihrer Eröffnung sogar die größte Steinbrücke in Nordeuropa. Im Vergleich zur neuen Straumenbrücke macht die heute nur für Fußgänger freigegebene Brücke einen sehr gemütlichen, pittoresken Eindruck.

Leider müssen wir auch einen Teil des Tages für einen Werkstattbesuch nutzen, da irgendwas an der Lenkgeometrie unseres Rudolphs nicht stimmt. Genau genommen, ist das Problem schon seit Kauf vorhanden und niemand hatte es bislang vollständig beseitigen können. Da wir natürlich unangemeldet in der IVECO-Werkstatt auftauchen, möchte uns der Mann an der Serviceannahme trotzdem helfen und findet tatsächlich einen Mitarbeiter, der bereit ist, sich unseren Rudolph noch am selben Tag NACH DIENSTSCHLUSS vorzunehmen. Der Mechaniker ist der erste, der die Ursache erkennt und in knapp 3 Stunden beseitigt. Berechnet hat er uns sogar nur eine Stunde Arbeitszeit – diese Form der Kundenorientierung ist weit überdurchschnittlich und als wir gegen Abend zufrieden vom Werkstattgelände rollen, bezweifeln wir, dass so eine Aktion in Deutschland so einfach möglich gewesen wäre. Der Mechaniker freute sich übrigens sehr über eine Flasche unseres italienischen Rotweins, die wir noch übrig hatten. Bei der Kaffeepause vor dem Werkstattbesuch hatten wir Gelegenheit eine namenlose, nur noch mit einem Spanngurt zusammengehaltene, Wassermühle in unserer Kamera zu speichern – sogar der Mühlstein war noch im Mühlenhäuschen vorhanden.

Wir quartieren uns auf einem Campingplatz ein; die Rezeption ist nicht besetzt aber man kann eine Nummer anrufen. Die Dame am anderen Ende meint, dass ich mir einen Platz suchen sollte und sie dann SPÄTER mit mir Kontakt aufnehmen würde. Auch bis nach 11.00Uhr am nächsten Vormittag war der Zeitpunkt „Später“ offenbar noch nicht eingetreten, so dass wir uns hiermit für die kostenslose Gastfreundschaft bedanken. Unser gespartes Geld setzen wir für die Fährüberfahrt von Sulesund nach Hareid ein, die Dank unserer vor der Reise besorgten Fährenkarte auch für Fahrzeuge von der Größe Rudolphs nur ein paar Euro kostet.

Am Fjord entlang fahren wir bis wir bei Gurskoya eine Werft entdecken, in der gerade ein Schiff der Hurtigruten wieder auf Vordermann gebracht wird. Da müssen wir natürlich für ein paar Erinnerungsfotos von der Hauptstrasse abbiegen, denn so etwas sieht man ja nicht alle Tage.

Hurtigrutenschiffe fahren übrigens mit Biogas!!

Und schon landen wir bei der nächsten Fähre von Arvik nach Koparneset. Während die Bezahlung bei der ersten Fähre über eine kleine Box an unserer Frontscheibe, die Signale zur Identifizierung unseres Fahrzeugs beim Einfahren auf die Fähre sendet, erfolgte, werden jetzt auf der zweiten Fähre Fahrzeug und Kennzeichen von einem jungen Mann mit dem Handy fotografiert. Zwei Tage später erhalten wir per Mail die korrekte Rechnung – wieder nur ein paar Euro, weil die Box mit unserer Discount-Fährenkarte verbunden ist.

Die Gastfreundschaft in Norwegen spüren wir heute gleich noch einmal, indem wir den kostenlosen Wohnmobilstellplatz am Hafen von Fiska benützen dürfen. Wir sind an diesem Tag das einzige Fahrzeug und nur eine brütende Möwe leistet uns wenige Meter neben Rudolph völlig unerschrocken Gesellschaft.