Nordkapp kann jeder – Norwegen (Skandinavien 2022 Teil 4)

Wir verabschieden uns von unserer Nachbarmöwe und dem überdimensionalen (wahrscheinlich namensgebenden) Metallfisch am Ortausgang, nutzen die vorzügliche und kostenlose Ver- und Entsorgungsstation, umrunden den Vanylvsfjord und steuern auf einer Halbinsel in Richtung Vestkapp.

Vom Nordkapp weiß man, dass man dort einmal gewesen sein muss – warum eigentlich? Meistens hüllt sich das Nordkapp in Nebel und beschränkt die Aussicht und letztlich ist es ein großer Parkplatz. Daher wollen wir herausfinden, wie es um das Vestkapp steht, von dem ich noch nie gehört hatte.

Das Wetter ist einigermaßen trüb aber trocken, wir biegen in die kleine, steile Bergstraße ab, die laut Wegweiser zum Vestkapp führt. Rudolph gibt sein Bestes, um den Parkplatz am Restaurant mit Panoramafenstern zu erreichen. Am Restaurant angekommen, stehen wir im Nebel mit nur 10m Sichtweite – also wie am Nordkapp.

Wenige Minuten trotzen wir Nebel, Wind und Kälte (4°C) und genießen den ‚spektakulären Rundumblick‘. Nichts wie weg entscheiden wir und lassen uns mit lauter Motorbremse wieder nach unten bis zur Hauptstraße rollen. Wir biegen zum letzten Dorf an der Straße, nach Honningsvag ab. Selbst das Dorf hat denselben Namen wie das letzte Dorf vorm Nordkapp. Da wir wieder unterhalb des Nebels sind, legen wir einen kurzen Stopp auf einem Parkplatz mit Sicht auf Honningsvag ein. Wir hören tierische Pfiffe und Schreie. Das sind doch Adler. Tatsächlich kreisen mehrere Adler, die offenbar irgendwo in der Felswand wohnen über uns. Mit voll ausgefahrenem Zoomobjektiv fangen wir sie in unserer Kamera ein.

Das war ein tolles Erlebnis nach dem ‚Panoramadebakel‘. Auf einem Minicampingplatz, der von Schweizern geführt wird und nur wenige Kilometer vom Vestkapp entfernt ist, beziehen wir unser Nachtquartier. Es gibt Schafe, Ziegen, Lamas und einen aufmerksamen Hund. Die kleinen Lämmer bekommen noch das Fläschchen, wobei Almut freudig mithilft und ich alles mit der Kamera festhalte. Wann hat man schon einmal Gelegenheit, selbst kleine Lämmer zu füttern.

Am nächsten Morgen trauen wir unseren Augen kaum – strahlend blauer Himmel, die weiße Kuppel, das Wahrzeichen des Vestkapps, die wir im Nebel noch gar nicht gesehen hatten, ist selbst von hier unten erkennbar. Also gibt es Frühstück in der Sonne und danach nochmals eine Fahrt auf der kleinen Straße bis zum Parkplatz am Restaurant.

Es ist Pfingstsonntag, das Restaurant wird erst um 12.00 Uhr öffnen und daher ist der Parkplatz bis auf ein weiteres Fahrzeug noch leer. Der Rundumblick ist bei diesem Sonntagswetter wirklich phänomenal. Wenn man nach Westen blickt, kommt laut Landkarte außer Wasser nichts mehr, bis man im Süden von Grönland ankommt. Ein tolles Erlebnis.

Auf der Weiterfahrt wird auf mehreren knallig bunten Schildern mitten in der Landschaft Bella’s Thai Mat angekündigt. Wir biegen in das Grundstück zum Imbisstand ein und lernen von Bella, dass auch Prinz Haakan schon bei Ihr gegessen hat – ganz ohne Leibwächter. Bellas Essen ist übrigens durchaus zu empfehlen.

Das nächste Highlight ist die Fahrt auf der RV15, dem Strynevegen. Nach den ersten Kehren erreicht man den Oystebrufoss an einem Parkplatz, von dem ein kleiner Pfad mit Geländer zu der besten Aussicht auf den laut herabtosenden Wasserfall führt.

Die 258 – also der alte Strynevegen über das Fjell – würde kurz danach abzweigen, ist aber leider wegen noch andauernder Wintersperre nicht befahrbar. Auf der RV15 geht’s durch mehrere kilometerlange Tunnel durch den Berg bis zur Abzweigung der 63, die zum Geirangerfjord hinunter und zum Nibbevegen auf den 1476m hohen Aussichtsberg Dalsnibba hinaufführt. Die Sonne scheint strahlend, so dass wir uns für den Aussichtsberg entscheiden. Die Straße ist gebührenpflichtig, so dass wir für den Genuss einer aus dem Schnee gefrästen Straße und den Panoramablick um 27.—Euro erleichtert werden. Aber ehrlich gesagt, ist die Straße außerordentlich ansprechend und die Aussicht vom  Dalsnibba auf den 7km entfernten Geirangerfjord, in dem sich immer ein paar Kreuzfahrtschiffe tummeln, ist wirklich überwältigend.

Das nächste Highlight wartet schon auf uns – eine gerade heruntergekommene Lawine hat die Zufahrt der 63 zurück zur RV15 versperrt. Etwa 25 Fahrzeuge vor uns ist die Straße mit Schneemassen zugeschüttet. Wir drehen um – ja das geht mit dem Rudolph auch auf kleineren Straßen – und fahren zurück zur Abzweigung des Nibbevegens. Über den Geirangerfjord auszuweichen macht keinen Sinn, weil der Weg uns einen zu langen Umweg bescheren würde. Also versuchen wir herauszufinden, ob und wann die Lawine geräumt sein würde. Das Statens Vegvesen, die Straßenverkehrsgesellschaft – so sagt man uns – veröffentlicht jeweils Updates zu allen Störungsmeldungen im Internet. Aber eben nicht hier an unserem Aufenthaltsort. Anders als fast überall in Norwegen, gibt es hier vor dem Hotel weder Telefon- noch Internetempfang. Also warten wir geduldig, bis ein Arbeiter, der seinen Feiertagsurlaub unterbrechen muss, auftaucht und sich mit einem mit Schneeketten bewehrten Radlader auf den Weg zur Lawine macht. Nach knapp 3 Stunden ist der Spuk vorbei und wir können die frei geräumte Straße wieder passieren, um zurück auf die RV15 zu kommen.

Am Billingen Pensjonat, dass im vorvorigen Jahrhundert eine Käserei war, finden wir an einem Wildwasserfluss einen wunderschönen Übernachtungsplatz. Am nächsten Morgen unternehmen wir eine Wanderung zu einer alten Holzbrücke, die auch schon um 1600 existiert hatte, dann aber vor ca. 30 Jahren zusammengebrochen ist und vor 15 Jahren originalgetreue wieder aufgebaut worden war.

Von einer früheren Reise erinnern wir uns, dass ein Stück weiter unten an der RV15 der Pollfoss (Wasserfall) auftauchen müsste. Dazu gehört auch ein Hotel, das außen wie drinnen wie aus dem Jahre 1900 anmutet.

Das Hotel hat geöffnet, die Außenterrasse wird gerade renoviert; also beschränken wir uns auf einen kurzen Blick in das Hotelinnere und schießen ein paar Bilder.

Wieder ein Stück weiter auf der RV15 erscheint uns an den Donfoss Stromschnellen ein riesiger Campingplatz auf den Felsen direkt am Fluss mit Swimmingpool und Dachterrasse erwähnens- und fotografierenswert. Hier sind wir schon wieder soweit hinuntergefahren, dass die Blätter an den Bäumen wieder normale Grüße haben.

Die Straße RV55 zweigt in Lom von der RV15 ab, heißt mit bürgerlichem Namen Sognjefjellsvegen und ist Nordeuropas höchste Passstraße mit einer Höhe von 1434m. Das klingt nicht besonders berauschend aber man sollte dazu wissen, dass die Vegetation auf dieser Höhe hier im Norden in etwa einer Höhe von 2500m in den Alpen entspricht. Die Straße beginnt in lieblicher Landschaft und führt uns zunächst zur Elveseter (das ist die Elfenalm) und einer riesigen Steinsäule mit eingemeißelten Bildern aus der Sagenwelt. Es handelt sich um die Wilhelm Rasmussen Sagensäule direkt bei der Elfenalm.

Einige Kilometer weiter auf 1071m Höhe folgen wir dem Hinweis auf einen Aussichtspunkt an der Jotunheimen Fjellstube.

Auf 1409m Höhe zeigen Skilangläufer ihr Können. Wir vermuten, dass es sich eventuell um Sportler aus der Nationalmannschaft handelte, da vor dem Sognefjells-Skicenter auch ein Mannschaftsbus und ein Kamerawagen zu finden war. 

Letztendlich kommen wir auf 1400m Höhe zum Ende unserer Tour für diesen Tag und quasseln – zunächst in der warmen Abendsonne, dann eingehüllt in dicker Jacke, mit anderen Reisenden bis spät am Abend bei ein paar Bierchen bis es uns um 23.00Uhr bei 10°C etwas zu frisch wird und wir gerne in den beheizten Rudolph umsteigen.

Am nächsten Morgen ist von der Sonne nichts mehr übrig, ein Mitarbeiter der Berghüttenbetreuung macht sich mit seinem Skidoo auf den Weg zur Arbeit und wir tuckern weiter zwischen Schneewänden die RV55 hinunter bis zum Abzweig zum Tindevegen.

Der Tindevegen ist eine Mautstraße, die vom Sognefjell über einen weiteren Passübergang nach Oevre Ardal führt. Die Straße ist relativ klein aber gut befahrbar. Auf der Passhöhe fragt uns der Fahrer eines entgegenkommenden Wohnmobils, ob die Straße in gutem Zustand und gut befahrbar ist. Natürlich bejahen wir und erst auf den letzten Kilometern kurz vor Oevre Ardal verstehen wir, warum er gefragt hatte.

Am Ende des Tindevegens reiht sich eine steile und enge Kehre an die andere und fordert das fahrerische Können schon etwas heraus. Noch bevor wir ganz unten in Oevre Ardal angekommen sind, füllen wir unsere Trinkwasservorräte mit reinstem Bergwasser (getestet!!!) auf und schwenken dann ins Utladal, um uns bei ein paar Fotos vom Hjellefoss den feuchten Nebel des Wasserfalls nicht nur um die Nase wehen zu lassen.

Norwegen ist erreicht (Skandinavien 2022 Teil 3)

Nach unserem Aufenthalt in Sysslebäck am Klarälven erreichen wir bald die Grenze zu Norwegen. Dass es sich um die Grenze zu Norwegen handelt, erfährt man nur, wenn man in den Rückspiegel schaut und dort das Schild mit „Riksgrense Sverige“ entdeckt. Auch das halb verfallene erste Haus auf norwegischer Seite deutet eher nicht auf das Betreten des reichsten Landes in Europa hin.

Nach kurzer Fahrt erreichen wir am Tyskensee eine Art Feriendorf mit einem Rastplatz, an dem wir in der Sonne erst mal Pause machen und den Frühling genießen.

Bei Velta überschreiten wir einen Fluss und auch hier – wie oft in Norwegen oder Schweden – wird die Idylle mit Blumenschmuck hervorgehoben.

Wir fahren an der Glomma entlang, die (oder der Glomma?) immer breiter wird und spiegelglatt ist wie ein See. Eine Brücke spiegelt sich ganz deutlich im Wasser und ab Evenstad fahren wir auf einem kleinen Sträßchen entlang dem permanenten Spiegelbild.

Kurz hatten wir überlegt, ob wir uns den Parkplatz einer alten Holzkirche als Übernachtungsplatz wählen sollen aber irgendwie kam uns das so vor, als würden wir auf dem Präsentierteller stehen und um Besichtigung bitten.

Über eine kleine Schotterstraße rumpeln wir zum Fluss herunter und untersuchen die Gegend nach einem netten Plätzchen. Ein Bewohner eines etwas oberhalb liegenden Bauernhofs, der uns natürlich sofort entdeckt hat, versucht mir zu erklären, dass es eigentlich ungünstig wäre, am Wasser zu stehen, weil vielleicht Traktoren vorbeikommen oder sogar Wasser aus dem Fluss holen wollen. Die von uns bevorzugte Stelle ist aber breit genug für Rudolph und mindestens zwei Traktoren und so versichere ich dem Mann, dass er keine Bedenken haben muss, weil ich jederzeit wegfahren könnte, wenn weiterer Platzbedarf wäre. Ich frage mich, wie diese in höflichem Ton geführte Diskussion wohl in Deutschland verlaufen wäre…

Später am Abend können wir die über der Glomma untergehende Sonne ausgiebig genießen – ohne störende Traktoren.

Regentropfen, die auf unser Dach prasseln wecken uns nach ruhiger Nacht am nächsten Morgen. Das Wetter ist mit dunklen Wolken wenig einladend – na ja; gerade gut um ein Stück Strecke zu machen. Eigentlich wollten wir parallel zur E3 wieder mal auf kleiner Straße fahren aber irgendwie hatte die passende Abzweigung verpasst und bin direkt auf der E3 gelandet. Für norwegische Verhältnisse ist die E3 sehr intensiv genutzt und wir wundern uns über die Riesentrucks, die scheinbar noch nichts von norwegischen Geschwindigkeitsbeschränkungen gehört haben, weil sie einfach dahindonnern, obwohl Geschwindigkeitsüberschreitungen auch in Norwegen richtig teuer werden können. Nach einigen Kilometern stellt sich heraus, dass es vielleicht gar nicht so schlecht war, dass wir auf der E3 gelandet sind. An Bäumen befestigte bunte Geweihe und nicht zuletzt ein ca. 10m hoher glänzender Stahlelch heißen uns im Elchreich willkommen. Der Stahlelch steht unübersehbar an einem Rastplatz, glänzt wie frisch geputzt und muss natürlich nicht nur von uns, sondern auch von anderen Touristen trotz Regen von allen Seiten fotografisch eingefangen werden.

Den Jutulhugget, einen riesigen Canyon, finden wir auf der Landkarte vermerkt und machen ihn zu unserem nächsten Ziel. An der Zufahrt zu der Schotterstraße, die zum Jutulhugget Naturreservat führt, hält uns ein überdimensionaler Holztroll eine Infotafel, auf der keine Infos zu finden sind, vor die Nase. Den Troll hatten wir schon vor mehr als 10 Jahren auf einer Reise fotografiert; also wird uns der Canyon wahrscheinlich auch bekannt vorkommen.

Dem Regen trotzend balancieren wir auf den nassen Felsen in Richtung Schlucht.

Trotz schlechten Wetters ist der Anblick sehr imposant. Der Canyon liegt gut 30km nördlich von Atna, so dass wir diesen Streckenabschnitt aus zwei Perspektiven betrachten können, weil wir ja eigentlich in Atna zum Friisvegen, einer 1158m hohen Passstraße abbiegen wollten. Also wieder zurück in Richtung Atna und hoch auf den Friisvegen. Bei echt nasskaltem Wetter kommt für diese Passstraße nur mäßige Begeisterung auf. Immer höher geht’s und immer kleiner werden die Blätter an den Bäumen.

Für einen Moment hatte wir die Idee, in einer der Nebenstraßen zu übernachten aber entweder war der Weg schon fast schlammig oder wir stünden in einer wirklich öden Landschaft. Nein, das kann nicht das Ziel sein. Wir rollen auf der anderen Seite der Passhöhe am noch im Winterschlaf befindlichen Masaplassen Touristsenter vorbei wieder hinunter in wirtlichere Gegenden.

Und siehe da, extra für unsere Fotos der Ringebu Stabkirche kommt die Sonne nochmal heraus bevor wir in Ringebu auf dem Campingplatz – bei wieder beginnendem Regen und Straßenlärm von der viel befahrenen E6 – den Tag ausklingen lassen.  Die Stabkirche von Ringebu ist komplett aus Holz gebaut. Der älteste Teil datiert aus dem Jahr 1220, das Querschiff ist 1630 dazugekommen. Es ist schon erstaunlich, wie lange diese Holzkirchen die Witterung überdauern ohne nennenswerten Schaden zu nehmen.

Für den kommenden Tag haben wir uns etwas Unaussprechliches vorgenommen – die Kvitskriuprestene – das sind Erdpyramiden, die entstehen, wenn viele Jahre der Regen weiches Gestein auswäscht und eine Pyramide mit einem schweren Stein obendrauf solange stehenbleibt, bis die Pyramide so dünn wird, dass das Gebilde zusammenbricht. So ist es einigen der Erdpyramiden in den letzten Jahrzehnten schon ergangen, wie Bilder von vor 20 und vor 30 Jahren an der Infotafel belegen. Glücklicherweise sind noch ein paar Kvitskriuprestene übrig, so dass sich unser steiler Anstieg und das Erklettern der langen Holztreppe gelohnt hat. Man erreicht den Parkplatz für die Sehenswürdigkeit nach Entrichten einer Gebühr mit Kreditkarte an einer Schranke über mehrere km enger unbefestigter Piste. Entgegenkommen sollten dabei idealerweise nicht allzu viele Fahrzeuge.

Bezüglich Wasserfällen sind wir ja noch nicht sehr verwöhnt. Daher halten wir auf dem Rückweg von den Erdpyramiden auf der E6 kurz vor Otta an, um einen – wie wir denken – beeindruckenden Wasserfall zu fotografieren. Wir konnten ja nicht ahnen, dass dieser Wasserfall im Vergleich zu den noch folgenden einen geradezu lächerlichen Eindruck macht.

Der nächste Wasserfall an der E136 – der Skogagrovafoss ist nicht so tosend, dafür stürzt das Wasser umso höher im freien Fall herunter – auch nicht schlecht.

Wir übernachten an einer Straße, die um einen Berg herumführt, der heute im Vagstrandtunnel durchfahren werden kann. Daher ist auf dieser kleinen Straße so gut wie kein Verkehr mehr und wir freuen uns auf eine ruhige Nacht. Zum Frühstück kommt das Kreuzfahrtschiff AIDAperla auf dem Weg nach Andalsnes vorbei.

Leider schwächelt das Wetter wieder etwas, weshalb wir nach der Fahrt über die elegant geschwungene Tresfjordbrücke nur einen Spaziergang zu drei weiteren sehenswerten Brücken unternehmen.

Es sind die Straumenbrücken bei der Stadt Skodje; eine neue und zwei alte. Die älteste aus dem Jahr 1916 war bei ihrer Eröffnung sogar die größte Steinbrücke in Nordeuropa. Im Vergleich zur neuen Straumenbrücke macht die heute nur für Fußgänger freigegebene Brücke einen sehr gemütlichen, pittoresken Eindruck.

Leider müssen wir auch einen Teil des Tages für einen Werkstattbesuch nutzen, da irgendwas an der Lenkgeometrie unseres Rudolphs nicht stimmt. Genau genommen, ist das Problem schon seit Kauf vorhanden und niemand hatte es bislang vollständig beseitigen können. Da wir natürlich unangemeldet in der IVECO-Werkstatt auftauchen, möchte uns der Mann an der Serviceannahme trotzdem helfen und findet tatsächlich einen Mitarbeiter, der bereit ist, sich unseren Rudolph noch am selben Tag NACH DIENSTSCHLUSS vorzunehmen. Der Mechaniker ist der erste, der die Ursache erkennt und in knapp 3 Stunden beseitigt. Berechnet hat er uns sogar nur eine Stunde Arbeitszeit – diese Form der Kundenorientierung ist weit überdurchschnittlich und als wir gegen Abend zufrieden vom Werkstattgelände rollen, bezweifeln wir, dass so eine Aktion in Deutschland so einfach möglich gewesen wäre. Der Mechaniker freute sich übrigens sehr über eine Flasche unseres italienischen Rotweins, die wir noch übrig hatten. Bei der Kaffeepause vor dem Werkstattbesuch hatten wir Gelegenheit eine namenlose, nur noch mit einem Spanngurt zusammengehaltene, Wassermühle in unserer Kamera zu speichern – sogar der Mühlstein war noch im Mühlenhäuschen vorhanden.

Wir quartieren uns auf einem Campingplatz ein; die Rezeption ist nicht besetzt aber man kann eine Nummer anrufen. Die Dame am anderen Ende meint, dass ich mir einen Platz suchen sollte und sie dann SPÄTER mit mir Kontakt aufnehmen würde. Auch bis nach 11.00Uhr am nächsten Vormittag war der Zeitpunkt „Später“ offenbar noch nicht eingetreten, so dass wir uns hiermit für die kostenslose Gastfreundschaft bedanken. Unser gespartes Geld setzen wir für die Fährüberfahrt von Sulesund nach Hareid ein, die Dank unserer vor der Reise besorgten Fährenkarte auch für Fahrzeuge von der Größe Rudolphs nur ein paar Euro kostet.

Am Fjord entlang fahren wir bis wir bei Gurskoya eine Werft entdecken, in der gerade ein Schiff der Hurtigruten wieder auf Vordermann gebracht wird. Da müssen wir natürlich für ein paar Erinnerungsfotos von der Hauptstrasse abbiegen, denn so etwas sieht man ja nicht alle Tage.

Hurtigrutenschiffe fahren übrigens mit Biogas!!

Und schon landen wir bei der nächsten Fähre von Arvik nach Koparneset. Während die Bezahlung bei der ersten Fähre über eine kleine Box an unserer Frontscheibe, die Signale zur Identifizierung unseres Fahrzeugs beim Einfahren auf die Fähre sendet, erfolgte, werden jetzt auf der zweiten Fähre Fahrzeug und Kennzeichen von einem jungen Mann mit dem Handy fotografiert. Zwei Tage später erhalten wir per Mail die korrekte Rechnung – wieder nur ein paar Euro, weil die Box mit unserer Discount-Fährenkarte verbunden ist.

Die Gastfreundschaft in Norwegen spüren wir heute gleich noch einmal, indem wir den kostenlosen Wohnmobilstellplatz am Hafen von Fiska benützen dürfen. Wir sind an diesem Tag das einzige Fahrzeug und nur eine brütende Möwe leistet uns wenige Meter neben Rudolph völlig unerschrocken Gesellschaft.

Von Öland in den Norden – Schweden (Skandinavien 2022 Teil 2)

Auf dem Rückweg vom Glaskunstmuseum kommen wir bei einem kleinen Schwedenhäuschen vorbei, das laut der überdimensionalen Schilder vorm Haus die beste Glaskunst beherbergt. Aus dem Dachfenster ruft uns ein älterer Mann auf Schwedisch zu, dass wir unbedingt hereinkommen müssen. Ich erkläre mit meinem einzigen schwedischen Satz, dass ich ihn nicht verstehe, worauf er sofort auf Deutsch umschaltet. Also gehen wir herein. Der gebürtige Kufsteiner erklärt uns für fast jeden ausgestellten Gegenstand, mit welcher Glastechnik er entstanden ist. Auch für das schwedische Königshaus hätte er schon gearbeitet und alle seine Werke sind Unikate und handsigniert. Aus unserer Sicht ist die Signatur nichts von übermäßigem Wert, da wir von ihm als Künstler noch nie gehört hatten. Aus seiner Sicht und insbesondere aus der Sicht der Preise, die er für seine Kunst aufruft, scheint die Signatur allerdings nahezu unbezahlbar zu sein. Nach seinen langen Erklärungen, verlassen wir ihn wieder, ohne etwas gekauft zu haben. Darüber ist er wenig begeistert. Wir genießen noch den warmen Frühlingsabend und machen uns am nächsten Tag in Richtung Insel Öland auf den Weg. Öland ist die Insel der Windmühlen. Angeblich gibt es noch um die 400 der verhältnismäßig kleinen und im Ganzen in den Wind drehbaren Exemplare. Zum Glück kann man auch in einige Mühlen hineingehen und so finden wir bei finsterem Himmel und kaltem Regen Schutz in den Mühlen mit der alten Mühlenmechanik.

Der Regen lässt nach und wir wagen, für eine Besichtigung zur Burg Ismanstorp aus dem Jahre 1634 abzubiegen. Mit viel Phantasie kann man sich vorstellen wie groß die heute komplett zerfallene Anlage wohl einmal gewesen ist.

Nur sehr wenige Besucher werden heute durch die Burg angezogen und noch weniger – genau genommen nur wir selbst – werden von der Kaffeestuga angezogen. Bei knisterndem Kaminfeuer erfreuen wir uns an Kaffee und einem Ministück Schokoladenkuchen mit einem Topping aus Sonnenblumenkernen.

An der Ostküste Ölands, in Bödahamn (Hafen von Böda) übernachten wir auf einem fast leeren Stellplatz.

Mit Freude stellen wir fest, dass der nächste Tag ein echter Frühlingstag ist und selbst das Meerwasser hat bereits 16°. Wieder einmal folgen wir einem der häufigen Hinweisschilder auf irgendwelche Sehenswürdigkeiten und landen bei einem Freiluftmuseum mit einem nachgebildeten Haus aus der Eisenzeit.

Leider kann man es noch nicht besichtigen, weil wir ja noch in der Vorsaison sind.

Ein echtes Highlight auf Öland ist der Küstenweg, der sich über 30 Kilometer an der Westküste entlangschlängelt. Das kleine Sträßchen beginnt bei eigentümlichen Felsformationen bei Byrum – den Raukarfelsen.

Entlang der Küstenstraße reihen sich verlassene Fischerdörfer,

wilde Steilküstenabschnitte, Wacholderheide und ein Meer der in den Alpen geschützten Küchenschellen.

Der nächste Fischerhafen ist Sandvik mit Schwedens größter Windmühle, die mittlerweile ein (derzeit geschlossenes) Restaurant ist, einem Geschäft mit Fischleckereien und einem Fischrestaurant direkt am Hafen, auf dessen Terrasse wir unseren Abend im Sonnenschein beschließen. Bis zum Sonnenuntergang dauert es noch ein wenig aber es lohnt sich.

Der Rest des Küstenwegs wartet noch einmal mit pittoresken aber unbewohnten Fischerdörfchen und seltsamer Steinmännchenkunst auf.

Durch die Ruinen des Schlosses Borgholm lassen wir uns mit einem elektronischen Guide auf unserem Handy führen, der uns detailliert über die Familienstreitereien der Eigentümer über mehrere Jahrhunderte informiert.

Irgendwie schaffen es Menschen nicht, in Frieden miteinander zu leben. Eigentlich schade, obwohl die Menschen ja von sich behaupten, die Krönung der Schöpfung zu sein. Na ja, Tiere kann man zu diesem Thema ja nicht befragen…

Bevor wir uns weiter in den Norden aufmachen, schauen wir nochmal bei unserem Sohn vorbei es gibt leckeren Quiche und einen langen Abend am Lagerfeuer. Echte Wildnisidylle.

Mehr oder weniger senkrecht nach Norden tuckern wir nun und kommen am komplett aus Holz gebauten Omberg Touristhotel vorbei zum Omberg Naturreservat am Vätternsee.

Zum Glück haben wir an diesem schönen Abend noch die Idee, einen steilen Pfad hinunter zum See zu gehen, um an einem Aussichtspunkt den Sonnenuntergang zu erleben.

Warum zum Glück? Am nächsten Morgen ist der Himmel wolkenverhangen, die Schweden kommen scharenweise, um an diesem arbeitsfreien Himmelfahrtstag Picknick zu machen und werden ebenso scharenweise kurz danach von Regengüssen zu anderen Freizeitbeschäftgungen überredet. Manche harren erstaunlich lange an den Picknicktischen aus bis der Regen doch zu heftig wird.

Und was machen wir? Der Besuch der Festung Vadstena kann ja auch bei Regen stattfinden aber der Regen ‚spielt nicht mit‘ und so können wir die von außen imposante Festung durch eine Toreinfahrt in den Innenhof trocken betreten. Wenn man nicht wüsste, dass der Innenhof zu der Festung gehört, würde man ihn für einen einfachen Parkplatz auf einem Hinterhof halten. Also beschränken wir uns beim Fotografieren auf die Außenseite und die schöne Lage am Hafen.

Die Schilder mit dem Sehenswürdigkeiten-Kringel kündigen jetzt das Medevi Brunn an. Als wir dorthin fahren wissen wir noch nicht einmal, dass es sich um ein Dorf handelt und erst recht nicht, dass es Skandinaviens ältestes Spa ist und von der Königsfamilie im 17. Jahrhundert als Badeort (daher: Brunn) genutzt wurde. Die Häuschen machen einen heimeligen Eindruck – manche sind bewohnt – die touristisch genutzten sind (noch) verschlossen und auch die uralte Apotheke kann ich nur das Fenster fotografieren.

Nach so viel Kultur muss jetzt wieder Natur kommen, weshalb wir den Vättern im Norden umrunden und zwischen die großen Seen zum deutlich kleineren Undensee im Nationalpark Tived steuern. Tived ist eines unserer Lieblingsziele in Schweden. Bislang gab es im Ort einen urigen kleinen Laden – aus dem Laden ist jetzt ein Feinschmeckerlokal geworden. Einkaufen kann man aber immer noch; doch ist aus einem Teil des ehemals einfachen Sortiments ein Feinschmeckersortiment geworden. Brot Käse, Bier, Milch und andere Produkte des täglichen Bedarfs kann man glücklicherweise noch immer kaufen. Alltag trifft Feinschmeckerei. Auf unserem Campingplatz fällt uns ein sogenannter Sambabus (VW Bus T1 mit vielen Fenstern) aus den 60er Jahren auf. Der Besitzer freut sich, uns zu erzählen, dass sein Bus aus dem Jahre 66 stammt und 21 Fenster hat. Ein weiteres dieser mittlerweile unbezahlbaren Schmuckstücke mit 23 Fenstern besitzt er auch noch. Als er ihn vor mehr als 30 Jahren – wie er sagt sehr günstig – gekauft hatte, war noch nicht absehbar, zu welchem Schatz sich das Fahrzeug entwickeln wird.

Die Wolfsklemme, eine Art Höhle, die wohl in der Eiszeit entstanden war, liegt mitten im Nationalpark, so dass wir sie bei strahlendem Sonnenschein mit unseren Rädern erkunden, um dann völlig aufgeweicht und fast erfroren wieder zu unserem Rudolph zurückzukehren. Innerhalb weniger Minuten war das Thermometer um satte 8° gefallen, der Himmel war plötzlich mit dunkelblauen Regenwolken zu aus denen der 7° Grad erfrischende Regen schauerartig herunterfiel. Der Rückweg war also keinesfalls eine Empfehlung für eine Radtour.

Nach der kalten Dusche sind wir perfekt auf die Reise weiter in den Norden eingestimmt. Der Skiort Branäs am Klarälven (letzter ungezähmter Wildwasserfluss in Schweden) ist im Sommer völlig verlassen. 3 hölzerne Sprungschanzen gibt es, die um die Wette verrotten. Auf eigene Gefahr könnte man über eine Treppe zur höchsten Schanze aufsteigen, steht auf einem Schild. Das ist doch eine echte Herausforderung für einen betagten Ruheständler denke ich und beginne, die Treppe soweit hochzuklettern bis ein auf die Treppe gestürzter Baum den Weiterweg versperrt. Gut die Hälfte habe ich ja geschafft und die Aussicht ist auch von hier aus schon beachtlich.

Direkt am Klarälven schlagen wir unser Nachtlager auf.

Nacht ist eigentlich das falsche Wort, denn richtig stockdunkel wird es hier oben überhaupt nicht mehr.

Irgendwas tut sich im Fluss – immer wieder kommen massenweise dunkle Schwanzflossen aus dem Wasser. Das sind die Lachse, die sich auf Ihrer Reise zu ihren Laichplätzen am Oberlauf des Flusses befinden. Sehr beeindruckend aber unmöglich zu fotografieren. Daher muss die Beschreibung genug sein. Vor dem Supermarkt im Ort stehen mehr norwegische Autos als schwedische – die Grenze ist nicht mehr weit und die Norweger kommen nach Schweden, um günstig einzukaufen. Wieviel günstiger Lebensmittel in Schweden sind, werden wir in Kürze in Norwegen selbst erfahren.

Elche haben wir bislang noch nicht entdecken können, aber immerhin ein Kranichehepaar mit Kind ist uns auf einer Wiese vor die Linse gelaufen.

Manche Urlauber lieben es, auf Wanderungen möglichst viele Kilometer in möglichst kurzer Zeit zurückzulegen, andere versuchen möglichst viele Kultursehenswürdigkeiten zu besichtigen – wir freuen uns gerne an der Natur und genießen die Stimmungen und unterschiedlichen Düfte der nach dem Winter wieder zum Leben erwachten Natur.