Viel Sand und dann die heiße Zone (Deutschland/Dänemark_05_2019)

Die Beschreibung des Bunkermuseums in Hanstholm hatte ich ja bislang noch ausgespart – also dann marschieren wir mal los. Bereits vor dem offiziellen Eingang auf dem Freigelände richtet sich eine riesige Kanone auf uns.

  Im Inneren des Museums wird der Besucher an unterschiedlichsten Waffen aller Größenklassen entlanggeführt. In einem Minikino kann man den Ablauf des letzten Weltkrieges noch einmal nachverfolgen und wir sind mehr als froh, dass wir in dieser Zeit nicht leben mussten. Auf einer langen Rampe, über die früher eine kleine Bahn gefahren ist, die schwere Munition transportierte, gelangt man in den Untergrund, in dem sich das Leben der Soldaten abspielte und der auch Zugang zu der gigantischen Kanone ist, die so weit schießen konnte, dass man das Ziel wegen der Erdkrümmung gar nicht mehr sah. Genau genommen ist die Kanone nicht mehr da aber der Sockel, auf dem sie montiert war, lässt zusammen mit einem Modell erahnen, welche Ausmaße das Kriegsgerät hatte.

Immer wieder zeigt sich, dass der Erfindungsreichtum der Menschen besonders groß ist, wenn es um Macht und Vernichtung geht…. Viel Technik gibt’s im Untergrund zu sehen, um Strom für die Bunkeranlage zu produzieren oder die Luft im Bunker sauber zu halten. Auf dem Freigelände besteht die Möglichkeit aus den käfigähnlichen Wagen der kleinen Schmalspurbahn heraus, das weitläufige Gelände zu erkunden.

Genug Krieg – wir verlassen Hanstholm wieder durch den Hafen in Richtung Klitmöller, wo wir ja schon kurz vorher waren.

Bei Agger, etwas weiter im Süden, besteht erneut die Möglichkeit um eine lange Bucht herum herumzufahren, um noch weiter in den Süden zu kommen oder eine 15-Minuten Fähre zu nehmen. Obwohl die Fahrpreise laut Internet für ein Fahrzeug mit einer Länge ab 6m ganz schön happig sind – rund 30 Euro – fahren wir auf die Fähre. „how long?“ fragt mich der Ticketverkäufer. „six fifty“ antworte ich, wohlwissend, dass die letzten 50cm preisbestimmend sind. „really?“ fragt der Ticketverkäufer noch einmal nach und beginnt mit großen Schritten, an Rudolph entlang zu laufen. „maximum 6 meters“ findet er durch seine Aktion heraus und ich muss nur noch weniger als die  Hälfte des befürchteten Fahrpreises zahlen. Glück gehabt! Neben uns auf der Fähre hat ein altes Pärchen einen gut erhaltenen aber wahrscheinlich recht alten PKW geparkt. Almut hatte schon beim Warten auf die Fähre gefragt , ob sie das Vehikel – einen Skoda – fotografieren darf, was der Eigentümer voller Stolz erlaubte. Jetzt frage ich ihn auch noch wie alt das Auto sei und strahlend antwortet er, dass das Fahrzeug vor 51 Jahren gebaut worden war.

Nach Verlassen der Fähre fahren wir kilometerweit an einer Sanddüne vorbei, die an manchen Stellen den Versuch macht, die Straße unauffällig unter Sand zu begraben. Immer wieder gibt es Zugänge über die Düne zum Strand. Auch wir wollen sehen, wie es auf der anderen Seite der Düne aussieht und kraxeln durch den tiefen Sand über die Düne. Kein Mensch ist auf dem kilometerlangen Strand zu sehen. Aber was noch viel interessanter ist, ist die Tatsache, dass die sich überschlagenden Wellen keinen weißen Schaum zeigen, sondern rot gefärbt sind. Wir lernen aus dem Internet, dass es sich sehr wahrscheinlich um Rotalgenkolonien handelt, die den Strandbesuchern abraten, ein Bad zu nehmen.

Sobald nicht nur Strandhafer entlang der Küste wächst, kann man an den Bäumen sehr gut erkennen, aus welcher Richtung im Allgemeinen der Wind weht, denn die Bäume sind nicht wie bei uns zuhause nach oben gewachsen, sondern in Windrichtung und dementsprechend fast waagrecht. Das ist halt Natur.

Natur sind auch die vielen bunten Steine im Sand und eine bläulich schimmernde Qualle, die offenbar im wahrsten Sinne des Wortes gestrandet ist. Das ist wieder mal so eine Kleinigkeit, die wir sehen, die uns gefällt und an der wahrscheinlich ganz viele Menschen vorbeigehen, ohne sie wahrzunehmen.

Sondervig, ein Ort der den Eindruck erweckt, als sei er in den 70er Jahren lieblos aus dem Boden gestampft worden, um möglichst vielen Strandsüchtigen Asyl zu gewähren, versucht durch das alljährliche Sandskulpturenfestival die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Riesige Skulpturen werden von den Künstlern ausschließlich aus Sand geformt – beeindruckend und gerade richtig von der Abendsonne bestrahlt, nehmen wir die Bilder des diesjährigen Mottos – „Roboter“ – in unserer Kamera mit nach Hause.

Ebenso wie an dem Ort Sondervig können wir auch an Hvide Sande nichts finden, was uns veranlassen würde, länger zu bleiben. Lediglich ein seltsam auf verstellbaren Stelzen stehendes Schiff lässt uns grübeln, wie diese Art von Schiff wohl zum Einsatz kommt.

Mehr oder weniger nah am Fuß eines Leuchtturms übernachten wir und machen uns dann auf den Weg  nach Bork Havn, um mal wieder Fisch einzukaufen. Den Verkaufsraum des Hafenfischers kann man mieten – Fisch wird hier nicht mehr verkauft.

Aber das Winkingerdorf etwa 1 km außerhalb der Ortschaft darf auf gar keinen Fall unerwähnt bleiben. Man fühlt sich wirklich in die Zeit der Winkinger versetzt, wenn man vom kleinen Hafen durch die Holzhäuser zum Opferplatz schlendert. Die Sonne scheint und wir genießen den Ausflug in die Zeit um 700 n. Chr.

Und wenn wir schon in der guten alten Zeit angekommen sind, dann darf ein Ausflug nach Ribe, in die angeblich schönste Stadt Dänemarks, nicht fehlen. Und wirklich, Ribe erfüllt, was die Reiseführer versprechen. Zahlreiche heimelige Fachwerkhäuser werden von der Abendsonne angestrahlt und fordern auf, völlig relaxed durch die Gassen zu trödeln.

Urlauber, die wir getroffen hatten, hatten von der Insel Römö geschwärmt aber etwas nördlich davon findet sich auf der Landkarte noch die winzige Insel Mandö. Wenn man genau hinsieht und die Landkarte im Internet herauszoomt, sieht es so aus, als gäbe es eine Straße zur Insel. Die Straße gibt es, so finden wir heraus bei Ebbe und sie ist ein Damm, den man problemlos befahren kann, wenn Niedrigwasser herrscht. Um die Mittagszeit am nächsten Tag soll der niedrigste Wasserstand sein und so steuern wir Mandö an. Der Damm ist geschottert und gut befahrbar, rechts und links vom Damm ist das Watt. Auf der Insel werden wir von einer Windmühle begrüßt und eine kleine Campingwiese gibt es auch auf der wir übernachten können. Wir radeln einmal um die Insel und beschließen kurzerhand, dass wir in dieser Idylle noch etwas bleiben möchten. Nicht zuletzt deshalb weil wir uns am nächsten Tag im Garten eines einladend aussehenden Cafes niederlassen wollen und selbst auch etwas ins Watt wandern möchten. Wenn man nicht laufen möchte, kann man sich auch auf hochbeinigen Wägen, die von Traktoren gezogen werden (Traktorbusse), bei Niedrigwasser ins Watt und zu den Seehundbänken fahren lassen.

Niedrigwasser ist für 12.45Uhr angekündigt. Bereits um 10.00 Uhr fragen wir im kleinen Supermarkt nach, ab wann man über den Damm fahren kann. „Das geht jetzt auch, denn wir haben Ostwind und der bläst die Flut so stark zurück, dass der Damm nicht überschwemmt wird.“ Und so war es auch. Mit der gewonnenen Zeit wollen wir doch noch einen Abstecher nach Römö machen, was sich im Nachhinein als nicht besonders klug herausgestellt hat. Wie viele andere fahren wir auf den riesigen Strand, dessen Sand so fest ist, dass man wie auf einer asphaltierten Fläche fährt – zumindest dort, wo der Sand noch feucht und fest ist. Ohne Probleme fahren wir in Richtung Wasser, parken und machen einen Spaziergang zum und ins Wasser. Auf dem Weg zurück, versuche ich, mehr oder weniger dieselbe Strecke zu fahren, muss aber feststellen, dass große Teile der Strecke durch den Wind schon mit Sand zugeweht sind…. und dieser Sand ist trocken und schon stecken wir fest. Die Antriebsräder bekommen keinen Grip mehr und auch die Differentialsperre hilft nichts mehr. Also fangen wir an, die Räder frei zu schaufeln. Das ist für 50cm ganz erfolgreich und dann stecken wir wieder fest. So funktioniert‘s also nicht. Ich überlege mir gerade, wie ich jetzt einen Traktor herbeordern kann, der mich rauszieht, als zwei Quadfahrer vorbeikommen, stehen bleiben und mich fragen, ob sie mich für 10 Euro rausziehen sollen. Mit zwei Quads??? Beide haben eine Seilwinde mit einem erschreckend dünnen Seil. Quad 1 besfestigt das Seil am Rudolph und Quad 2 befestigt das Seil an Quad 1. Mit Hilfe von Rudolphs Motorkraft, dem groben Reifenprofil der Quads und viel Gefühl kommt Rudolph überraschenderweise wieder frei. Das Schleppseil wird wieder entfernt, die beiden Quadfahrer – offenbar Vater und Sohn, die als Freizeitbeschäftigung am Strand patroulieren, um festgefahrenen Autos zu helfen – bekommen etwas mehr als den geforderten Lohn und verziehen sich wieder. Wir wollten ja nur mal kurz auf die Insel Römö fahren……

Eine Nebenbaustelle ist, dass jede Menge ganz feiner Sand, während wir gebuddelt haben und die Türen offenstanden, durch den permanenten Wind ins Auto geweht worden ist und jetzt in jeder Ritze steckt – und nicht nur im Fahrerhaus ist der Sand zu finden; das Türscharnier der Kabinentür ebenso wie die Gelenke der Fenster und sogar die gläserne Abdeckplatte des Herdes knirschen, wenn sie bewegt werden. Keine Ahnung wie der Sand dort hingekommen ist.

Heilfroh, dass alles so glimpflich abgelaufen ist, fahren wir wieder aufs Festland in Richtung Süden. Unser Ziel ist die Seehundstation in Friedrichskoog – rund 180km südlicher. Hatten wir bislang zwar sonniges aber nicht übermäßig warmes Wetter bis zu 22°C, so wird es mit jedem Kilometer in Richtung Süden jetzt heißer und in Friedrichskoog sind wir dann bei knapp 30°C angekommen. In der Seehundstation werden verlassene Jungtiere aufgenommen, aufgepäppelt und dann wieder in die Freiheit entlassen. Über hundert Tiere tummeln sich in vielen Gehegen und freuen sich über die Fütterung, die gerade stattfindet. Der Besucher kann das Treiben von einem erhöht liegenden Aussichtsraum ohne Störung für die Tiere betrachten. Neben den Jungtieren wohnen hier auch ein paar wenige ausgewachsene Robben, die sich in der Sonne räkeln und sich bei der Hitze immer mal wieder im kühlen Wasser erfrischen. Die Schwimmkünste der Robben, die wie Pfeile durchs Wasser gleiten, können wir auch durch große Glasfenster aus der Unterwasserperspektive beobachten.

Auf dem weiteren Weg nach Hause müssen wir irgendwie an Hamburg vorbei – hoffentlich gibt’s keinen Stau. Vor dem Elbtunnel dürfen wir natürlich am beliebten ‚Stop and Go Spiel‘ teilnehmen aber dann fließt der Verkehr zum Glück wieder.

Wolfenbüttel mit seinen über 300 Fachwerkhäusern soll das nächste Ziel sein. Die Stadt bietet einen ausgesprochen schönen Stellplatz in den sogenannten Okerauen an – es gibt sogar Schatten unter großen Bäumen. Mit unseren Rädern erkunden wir die wirklich sehenswerte Innenstadt am nächsten Morgen, als die Hitze noch nicht so groß ist.

Mit jedem Kilometer, den wir weiter in Richtung Süden fahren, steigt das Thermometer – nur auf den Bergstraßen durch den Harz bleiben wir unter 30°C. Trotzdem fühlen wir so etwas wie bedrohliche Endzeit als wir kilometerlang durch einen Wald mit toten Bäumen fahren. Stürme, die Hitzewelle des vergangenen Jahres und die Gefräßigkeit des sich massiv ausbreitenden Borkenkäfers haben hier eine Landschaft entstehen lassen, von der sich wohl kaum noch Touristen zum Wandern eingeladen fühlen.

Das Thermometer steigt bis auf 37°C und als ich am Abend auf unserem Übernachtungsplatz in Thüringen einmal nachrechne, wieviel ich an diesem Tag schon getrunken habe, komme ich auf über 4 Liter. Wahrscheinlich müssen wir uns in Zukunft immer mehr an solche Extrem-Temperaturen gewöhnen – und damit werden skandinavische Länder zumindest für uns noch attraktiver als sie es ohnehin schon waren.