Nach der Hitze auf Umwegen in den Norden (Schweden _2018_01)

Der Sommer 2018 wird allgemein als Jahrhundertsommer bezeichnet, weil über viele Wochen ausnahmslos Trockenheit und hohe Temperaturen geherrscht hatten. Und damit sind wir in unserer Entscheidung, während des Hochsommers zuhause zu bleiben, weil dort auch schönes und warmes Wetter zu genießen ist und wir uns nicht unter die Millionen Urlauber mischen müssen, richtig gelegen. Ab dem 24.8.2018 erlöst das Wetter uns von der Hitze und wir können uns auf unsere Reise vorbereiten. Eigentlich wollen wir nach Schweden fahren, was bedeutet hätte, dass wir zur Fähre nach Rostock tuckern und dann in Trelleborg wieder aussteigen. 2018 ist alles anders; wir bekommen Transportaufträge von unserem Sohn, der in Schweden lebt, und wollen einige Termine „auf dem Weg“ wahrnehmen. Auf dem Weg heißt in diesem Fall, dass wir zunächst einen E-Bike-Händler in der Nähe von Straßburg besuchen, zu einem 60.Geburtstag in der Nähe von Pirmasens eingeladen sind, unseren Weinhändler am Nordende der Weinstraße besuchen und dem Pferdehof einer ehemaligen Nachbarin in der Nähe von Hamm einen Besuch abstatten. Somit werden aus den üblicherweise 650km nach Rostock rund 1300 km bis wir dieses Mal nach mindestens 25 Autobahnbaustellen in Travemünde auf die Fähre rollen.

Die “paar“ Sachen, die wir unserem Sohn nach Schweden mitbringen sollen, stellen den Stauraum von Rudolph auf eine harte Probe – wir sind randvoll bepackt, was schon etwas bedeutet, wenn man weiß, was Rudolph so verkraftet. Aber es hat alles reingepasst. Nur wenige Passagiere wollen in Travemünde mit der Finnlines-Fähre nach Malmö und so werden wir am Check-In bereits mit Namen begrüßt. (Man hat uns offensichtlich am Kennzeichen enttarnt). Da wir früh aufstehen mussten, gibt’s auf dem Schiff erstmal ein leckeres Frühstück und dann ruhen wir uns in der Kabine nochmals aus, bis wir bei strahlendem Sonnenschein auf dem Oberdeck die Überfahrt genießen. Insbesondere der Durchfahrt unter der Öresundbrücke fiebern wir entgegen. Es ist ein besonderes Erlebnis, zwischen den riesigen Pfeilern der knapp 8 km langen Brücke bzw. unter der kombinierten Auto-/Eisenbahnbrücke, die im Jahr 2000 nach der Investition von 1 Milliarde Euro dem Verkehr übergeben worden war, durchzufahren.

Die nächste Herausforderung ist, in Malmö einen Geldautomaten zu finden. In unserem Navi sind zwar Geldautomaten gespeichert, aber einige von ihnen gibt es nicht mehr, da die Schweden immer mehr auf bargeldlose Zahlung setzen. Irgendwann geben wir auf und übernachten im den Bootshafen Limhamn – natürlich mit Kreditkarte bezahlt.K1600_DSC_1448

Erste Anlaufstelle ist das Haus unseres Sohnes, um die „Fracht“ abzuladen und wieder etwas leichter an unsere Vorräte oder auch einen Stuhl zum draußen Sitzen zu kommen.K1600_DSC_1457 Dann soll es weiter auf die Insel Öland gehen, die wir zwar schon ein paar Mal in den Jahren zuvor besucht hatten, die aber noch einige interessante und unentdeckte Stellen für uns bereit hält. Der erste Zwischenstopp ist bei einer Steinofenbäckerei mit Cafe im Stora Rörs Hamn.

Im Hafen von Böda holen wir uns leckeren Räucherfisch und wollen am nächsten Tag den  Küstenweg an der Westküste entlangfahren. Im kleinen Hafengelände haben sich schon einige Wohnmobile eingefunden aber es ist noch reichlich Platz übrig, so dass man überhaupt nicht gedrängt stehen muss.  Die übrigen Wohnmobile haben alle schwedische Kennzeichen. Theoretisch könnten aber auch Touristen die Fahrzeuge geliehen haben – aber es handelt sich ganz bestimmt um echte Schweden, wenn der Fahrer mit Clogs aussteigt und gaaanz langsam einen kleinen Kanister mit Wasser füllt. Auch den Tank im Wohnmobil zu füllen, kann bei Schweden richtig lange dauern – aber das stört niemanden, jeder scheint genug Zeit zu haben und lächelt – das wäre im hektischen Deutschland wahrscheinlich etwas anders…

Der Küstenweg beginnt im Norden bei den Byrums Rauker. Rauker sind Gesteinsformationen, die durch Auswaschungen des Meeres verursacht sind  und turmähnliche Gebilde wie z.B. auch an der Algarve in Portugal entstehen lassen – also Algarve in Schweden auf der Insel Öland.

Der Küstenweg erstreckt sich einige Kilometer und wir parken in der Nähe einer Bucht, weil wir eine Frau im Meer schwimmen sahen und einmal ausprobieren wollen, ob wir verweichlichten Deutschen es auch schaffen, im Norden baden zu gehen. Temperatur ist o.k. aber die Wellen sind mittlerweile deutlich höher und so beschränken wir uns auf ein paar Schritte ins erfrischend kühle Wasser. Etwa 18 Grad hätte das Wasser, hatte uns die Badende am Parkplatz in einem freundlichen Plausch mitgeteilt.

Überhaut werden wir immer freundlich angesprochen und begrüßt – auch das ist daheim nicht selbstverständlich. Warum das so ist, verstehen wir eigentlich nicht, denn der Mensch hat ja die Gabe zu kommunizieren und ein kurzes „Hallo“ wenn man sich begegnet, kostet nun auch nicht so viel Zeit – Menschen sind halt unterschiedlich und jeder lebt in seinem kleinen Kosmos. Auf unserem Navi ist der weitere Weg an der Küste nur noch als Ministraße ausgewiesen, so dass wir besser wieder in Richtung Landesinnere abbiegen.K1600_DSC_1505 Der lange Erik, ein Leuchtturm an der nördlichsten Spitze von Öland soll unser nächstes Fotomotiv werden. Auf der Mole zum Leuchtturm haben sich einige Vogelbegeisterte mit Riesenfernrohren und gigantischen Teleobjektiven eingefunden. Auf den Felsen im Wasser in einiger Entfernung lagern auch jede Menge Wasservögel, die es zu beobachten gilt. Obwohl es Sonntag ist, ist die Besucherschar jetzt am Ende der Saison schon sehr überschaubar – Cafes und Kioske sind schon im Winterschlaf.

Das Fischrestaurant am Bödahamn ist zum Glück noch nicht im Winterschlaf, so dass wir nach unserem Besuch und leckerem Saibling und Zander eine klare Empfehlung für dieses Restaurant aussprechen können.

Wir erfahren, dass der Küstenweg sehr wohl auch noch weiter im Süden zu befahren ist; also machen wir uns noch einmal auf, um den Rest des Wegs auch noch zu befahren – es stellt sich heraus, dass der Rest eigentlich der größere Teil ist. Immer auf einer Art Klippe entlang zieht sich der Weg, die Vegetation ist karg, ab und zu gibt es eine Ansammlung von Wacholdersträuchern oder eine Windmühle

Nach einiger Zeit kommen wir zu einem Steinbruchgebiet, in dem große Steinplatten gebrochen und dann poliert werden. In den Steinplatten findet sich allerlei versteinertes Meeresgetier.

Eine besonders große Windmühle steht nur noch als Skelett da und wird gerade von ein paar Männern restauriert und soll wieder in Gang gesetzt werden. Zwei der Männer sind schon deutlich im Rentenalter und tragen Rauschebärte – da fällt mir ein, dass ich einmal eine Dokumentation über Öland gesehen hatte, die auch von einer Art Club von deutlich im Rentenalter befindlichen älteren Männern berichtet hatte, die es sich zur Aufgabe gestellt hatten, einige der vielen Windmühlen auf Öland zu restaurieren – wenn ich mich recht erinnere, war der älteste von ihnen schon über 80 Jahre alt – die Herren verdienen unsere Hochachtung.K1600_DSC_1586

Der Küstenweg endet in Sandvik, das an diesem Montag einen eher ausgestorbenen Eindruck macht. Nur die Tür von einem Haus am Hafen steht offen und als ich hereinspitze, sehe ich 5 oder 6 mechanische Webstühle und eine Frau, die mit diesen Webstühlen Stoffe produziert. Ob das ein Museum oder eine Stoffmanufaktur sei und die Stoffe verkauft werden sollen, frage ich; nein das ist ausschließlich mein Hobby antwortet die Frau und erlaubt mir, ein paar Fotos zu machen.

Am alten, mittlerweile still gelegten, Fähranleger bei Nabbelund verbringen wir die nächste Nacht am Wasser mit Blick auf den langen Erik, nachdem wir am kilometerlangen Sandstrand nördlich von Böda die Herbstsonne so lange ausgekostet hatten, bis eine dunkle Wolke uns unmissverständlich mitgeteilt hatte, das jetzt Schluss mit der Sonnenbaderei ist.

Die Menge an Sternen, die man bei Dunkelheit erkennen kann, ist mehr als überwältigend; so etwas kennen wir natürlich aus dem meist lichtverschmutzten Deutschland nicht. Wir wollen noch einmal die Steinofenbäckerei und Kaffeerösterei bei Kyrketorp besuchen – aber die hat leider nur Donnerstag bis Sonntag geöffnet. Die erhoffte Beute in der Bäckerei wäre eines der leckeren Sauerteigbrote, die man mittlerweile etwas häufiger in Schweden finden kann und die eine willkommene Abwechslung zum weichen und gesüßten Standardbrot sind.

In einem kleinen Fischerhafen übernachten wir das letzte Mal auf Öland und steuern dann über die Brücke zum Festland noch einmal das Dorf an, in dem unser Sohn wohnt.

Noch einmal nehmen wir seine Gastfreundschaft – jetzt für ein paar Tage – in Anspruch und natürlich wollen wir besichtigen, was sich mittlerweile am Haus und im Grundstück verändert hat. Neben der Permakultur für Kräuter und Gemüse sind 50 Bäume gepflanzt worden und am nächsten Tag bringt ein LKW noch einmal 80 Sträucher. Alle Bäume und Sträucher tragen essbare Früchte – so ist der Plan bei der Anlage des fruchtbaren aber wenig arbeitsintensiven Forest Gardens. In ein paar Jahren soll aus den Pflanzen ein der Natur nachempfundener Wald und Garten werden. Bevor wir uns weiter auf den Weg nach Norden machen, besichtigen wir noch ein Holzhaus mit separatem Saunahaus und Dieselgenerator für die Stromerzeugung.K1600_DSC_1662

Leider gelingt es uns nicht, den Generator wieder in Schwung zu bringen, darum nimmt ihn mein Sohn mit, um sich nach fachkundiger Hilfe umzusehen. In einem Naturcamping bei Rottne, bei dem die Parzellen so weit gestreut sind, dass kein Camper den jeweiligen Nachbarn sehen kann, nisten wir uns direkt am See ein und lassen mit dem Rauschen der Wellen den Abend in der Wildnis ausklingen.