Herbststimmung und stürmische Fahrt über Alcatraz nach Süden(Schweden _2018_02)

Auf unserem Weg in einer leicht hügeligen Landschaft fällt uns plötzlich ein Wegweiser in ein Skigebiet auf – wir folgen – und landen tatsächlich auf einem Berg (besser: einer Erhöhung), der das Ziel von immerhin 3 Skiliften ist – ein vierter wird gerade gebaut. Die Sonne scheint und wir haben einen tollen Blick auf Virserum, was uns zu einer ausgiebigen Pause mit Espresso einlädt. Wir genießen es, die „Hotelbar“ oder das Café immer dabei zu haben.

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Der nächste Wegweiser, der uns verleitet, abzubiegen, weist auf eine Museumsbahn hin, die natürlich zu dieser Jahreszeit nicht mehr in Betrieb ist. Die musealen Triebwagen und einige Draisinen, die man sich in der Saison ausleihen kann, stehen verlassen auf dem Museumsbahnhof.

Die Saison endet hier meist schon Anfang, spätestens aber Mitte August. „Stängt“ (=geschlossen) findet man dann am Eingang zu vielen Sehenswürdigkeiten und Attraktionen. Auch Cafés und Restaurants haben sich dann schon in den langen Winterschlaf verabschiedet. Mitten im Wald an einem Strandbad übernachten wir und finden auf dem Weg nach Eksjö nur noch eine Besonderheit; eine der typischen schwedischen Kirchen, deren hölzerner Kirchturm separat in der Wiese steht.

Eksjö selbst ist wegen der Trästad (Holzstadt) sehr bekannt und so bummeln wir bei strahlendem Sonnenschein durch die Gassen mit den historischen, mehrere hundert Jahre alten Holzhäusern.

Wieder einmal geben die alten Häuser einem das Gefühl, dass die gute alte Zeit sehr ruhig und romantisch war, auch wenn der kalten Wind früher wahrscheinlich durch die undichten Fenster gepfiffen hatte und der skandinavische Wollpullover zur notwendigen Mode gehört hatte.

Die Bewohner von Motala sind auf zwei Bauwerke besonders stolz: Einmal die neue Brücke der Schnellstraße, die sich bei Sonnenuntergang sehr schön selbst in Szene setzt und bei Dunkelheit durch eine Lichterkette in Szene gesetzt wird.

Das zweite Bauwerk ist bei Weitem nicht „neu“ zu nennen, sondern stammt aus dem 19. Jahrhundert. Es ist eine 5-stufige Schleusentreppe, die zum Götakanal gehört, der es ermöglicht, dass man mit Kanus oder Segelbooten mehr oder weniger quer durch Schweden schippern kann.

Wenn es einigermaßen auf unserem Weg liegt, dann statten wir Tived im gleichnamigen Nationalpark einen Besuch ab. Tived liegt am Undensee, den wir noch nie mit so hohen Wellen gesehen hatten und in Tived/Sannerud gibt es einen ‚Lanthandel‘, den man unbedingt besucht haben sollte. Es handelt sich um einen Minisupermarkt, der aber von der Bevölkerung und den Touristen gut besucht ist, nicht zuletzt wegen der leckeren selbst geräucherten Fleischwaren.

Quer durch den Nationalpark an das Ufer des Vänern fahren wir und freuen uns an lustigen Steinskulpturen (die Schweden nehmen sich halt Zeit, auch etwas Schönes oder Lustiges zu basteln und nutzen die zur Verfügung stehende Zeit nicht ausschließlich für Nutzbringendes…) und den Herbststimmungen am See und an einer kleinen Holzkirche im Wald.

Selbst große Künstler wie Picasso haben sich offenbar für Schweden begeistert und in Kristinehamn sogar ein Kunstwerk aufgestellt oder besser gesagt aufstellen lassen, denn Picasso hat die Bauarbeiten an dem aus Beton gefertigten Monument nicht selbst durchgeführt aber den Bau geleitet. Jetzt steht das Kunstwerk auf einer Halbinsel und begrüßt jeden, der in den großen Segelhafen von Kristinehamn einfährt. Die Sonne strahlt an diesem Sonntag und viele Schweden begutachten das Kunstwerk und nutzen den schönen Tag für Spaziergänge auf der Halbinsel.

Überhaupt sollte man die schönen Tage nutzen, denn immer wieder sind Tage dabei, an welchen der Wind – „auffrischt“ – könnte man sagen und bliebe dem Wind gegenüber noch sehr höflich. Wir empfinden also die Brisen schon jetzt als „zu windig“, ohne zu wissen, was uns der Herbst auf den Inseln, die Göteborg vorgelagert sind, in ein paar Tagen bescheren wird. Aber der Wind hat selbstverständlich auch ernstzunehmend gute Seiten; insbesondere wenn er die Wolken wegweht und immer wieder für strahlend blauen Himmel sorgt.

Vorhandene Wolken versuchen ganz besonders zur Zeit des Sonnenuntergangs immer wieder für spektakuläre Stimmungen zu sorgen. Noch bei keinem Schwedenaufenthalt hatten wir so viele höchst beeindruckende Sonnenuntergänge zu bewundern.

 Aber auch auf andere Weise macht der nahende Herbst auf sich aufmerksam: Die Bauern holen ihre Tiere von den Weiden nachhause – liegen die Weiden auf einer Insel, dann werden die Rinder mit einer abenteuerlich Kombination aus einem Schubboot und einem mit starken Gurten verbundenen  Viehgatterponton abgeholt und letztendlich an Land  mit dem Lastwagen zum heimischen Stall gefahren.

Die nächste positive Seite des Wetters ist der Reichtum an essbaren Pilzen, die in den Wäldern aus dem Boden schießen – daher gehen wir über mehrere Tage gar nicht mehr einkaufen, sondern stoppen einfach in einem Waldstück, um Pilze fürs Abendessen zu sammeln, die wir dann mit Soße oder Ei zubereiten.K1600_DSC_1978 Wenn es darum geht, Seen zu überqueren oder zu kleinen Inseln zu kommen, dann bauen die Schweden nicht immer Brücken, sondern lassen die Reisenden mit gelben und damit kostenlosen Fähren übersetzen. Auf die Fähren passen nur ein paar Fahrzeuge und wenn einer der riesigen und langen Holzlaster einen großen Teil des auf der Fähre zur Verfügung stehenden Platzes einnimmt, kann es schon mal sein, dass unser Rudolph, von dem mancher behauptet, dass er groß sei, neben einem Holztransporter geradezu lächerlich aussieht.

Täglich aufs Neue stellt sich die Frage: „Wo wollen wir denn heute Abend übernachten?“ Also checken wir die diversen Apps, ob diese einen für uns attraktiven Platz anbieten können. Obwohl wir nicht unbedingt auf Campingplätzen stehen wollen und die meisten ohnehin schon geschlossen haben, finden wir Camping ALCATRAZ interessant. Ob man dort im Gefängnis übernachtet? Die Website ist lustig aufgemacht und verrät, dass sich der kleine Platz in Gustavsfors am Dalslandkanal befindet und eine beliebte Station für Kanufahrer auf dem Kanal ist. Die auf der Website zu findenden „Fluchtmöglichkeiten von Alcatraz“ beschreiben letztendlich die sehenswerten Plätze in der näheren Umgebung des Platzes auf lustige Art und Weise.

Eine weitere Besonderheit von Gustavsfors ist ein dort ansässiger deutscher Bäcker, der nach deutschem Rezept bäckt. Das wollen wir uns anschauen und scheuen nicht, uns in Alcatraz anzumelden. Wir sind natürlich die einzigen Gäste und auch beim Frühstück am nächsten Morgen beim Bäcker sind wir im Café mehr oder weniger alleine bis auf eine Frau, die einige Stücke der giftgrünen, in vielen Cafés erhältlichen Princesstorta kauft. Der Bäcker erzählt, dass er seit 13 Jahren in Schweden ist und mit seinem Business in der kurzen Saison gerade so über die Runden kommt. 3 Tage später wird er schließen und erst wieder im April 2019 aufsperren.  Trotz des überschaubaren Verdienstes sagt er, dass es ihm in Schweden sehr gefällt und er nicht wieder zurück ins hektische Deutschland möchte. Nach dem Frühstück machen auch wir uns auf den Weg und fahren zum westlichsten Punkt Schwedens, der sich als ein ganz normaler Wendeplatz mit Bootshaus herausstellt.

Mit gelben Fähren oder über hohe Brücken, vorbei an liebevoll geschmückten Eingängen zu den Gärten (und an einem nicht nur für Schweden besonders hässlichen Haus)

fahren wir über ein paar kleine Inseln,

landen dann aber bei den Felsritzungen in Listleby. Diese Ritzungen sind bis zu dreieinhalb Tausend Jahre alt und zeigen Jäger, Schiffe, Schlitten und verschiedene Tiere, über die die damaligen Menschen der Nachwelt berichten wollten.

Nach der Steinzeit kommt die Gegenwart wieder ins Spiel; wir wollen eine Stadtbesichtigung machen. „Stadt“, kommt mir gerade in den Sinn, ist vielleicht für Fjällbacka mit knapp 1000 Einwohnern etwas übertrieben. Der Ort liegt an Felsen gekuschelt 25km von der norwegischen Grenze entfernt in der wieder einmal äußerst schönen Herbstsonne – und die braucht man auch, denn im Schatten hat es nur 13 Grad.

Die Gegend um Fjällbacka war auch Kulisse für den Film Ronja die Räubertochter. Ein Hotelcafe mit recht deftigen Preisen und ein Fischladen haben noch geöffnet. Am Meer steht uns der Sinn sowieso nach Fisch und so wandern ein paar geräucherte Leckereien in unsere Einkaufstüte, um danach im „Restaurant Rudolph“ verspeist zu werden. Nachdem wir auf den Inseln Tjörn, Orust, Malö, Flatö festgestellt hatten, dass alle schon im Winterschlaf sind,

soll der der nächste Ruheplatz auf einer der kleinen Inseln Hanö, Hälsö oder Öckerö vor Göteborg liegen. Also schlängeln wir uns wieder durch die Großbaustelle Göteborg – das war im letzten Jahr nicht anders – bis zur gelben Fähre.K1600_DSC_2098 Da es Wochenende ist, wird für Göteborg die Citymaut nicht erhoben, denn sie soll ja nur den Verkehr zu den besonders beliebten Zeiten an Werktagen morgens und abends bremsen ….. oder alternativ das Stadtsäckel füllen. Auf den Inseln scheint es nur Segelboothäfen zu geben mit Hunderten von Booten. Manche der Häfen bieten Wohnmobilstellplätze mit der Idylle einer Schiffsschrotthandlung an, manche bieten natürlichen Ausblick auf die Schären und das Meer.

Dort lassen wir uns nieder und lernen, dass die Bezeichnung Ruheplatz, die ich gewählt hatte, denkbar ungeschickt war, denn Wind mit Windstärke 6 kämpft mit der Breitseite von Rudolph und wir fühlen uns etwas „verschaukelt“. Also nochmal umparken, um den Wind direkt von vorne abzubekommen, aber fast nicht mehr zu schaukeln – wären da nicht die großen Löcher in unserer Dachreling in welchen sich die Schrauben für die Befestigung der Reling befinden. Über diese knapp 2 Zentimeter großen Löcher pfeift der Wind und erzeugt so immer wieder neue, etwas disharmonische Melodien, wie wenn ein musikalisch unbegabter Mensch versuchen würde, mit einer Flasche Töne zu erzeugen. Wir genießen also eine stürmisch musikalische Nacht… Ein Musikabend ist dann auch genug und so treten wir am nächsten Tag die Rückreise aufs Festland an. Wir finden einen Hinweis auf eine Radio Station und wissen im ersten Moment nicht, wie wir diesen Hinweis interpretieren sollen, denn ein Gebäude, in dem ein Radiosender Musik und Nachrichten sendet, ist doch nicht so sehenswert. Also fahren wir zur Grimeton Radiostation und stehen vor einem Gebäude, hinter dem sich mehrere 127m hohe Masten (sehen  aus wie Masten für Überlandstromleitungen) in einer Reihe über eine Strecke von 2,2km finden.

Es handelt sich um einen Längstwellensender erfahren wir, dessen Antenne eben 2,2km lang ist – Wow, wir sind beeindruckt. Mit diesem Sender und 8 weiteren auf der Welt, hielt man seit 1935 mit Amerika Kontakt – also Nix Nachrichten-, Verkehrsmeldungs- und Musiksender. Nach dem zweiten Weltkrieg hatten die Schweden über diesen Sender noch Kontakt zu ihren U-Booten aufrechterhalten, weil diese extrem langen Wellen auch ein paar Meter unter die Wasseroberfläche dringen können. Heute ist Grimeton zwar der einzige noch voll funktionsfähige Sender dieser Art aber dennoch fast immer abgeschaltet. Nur zu besonderen Anlässen, wie der Neujahrsbotschaft des schwedischen Königshauses zum Jahrtausendwechsel wird er noch in Betrieb genommen und Funkbegeisterte in der ganzen Welt freuen sich, wenn sie die gesendeten Botschaften empfangen können. Nach so viel Technik muss wieder Natur kommen, weshalb wir die Küstenstraße zwischen Varberg und Falkenberg ins Visier nehmen. Nördlich von Varberg steht in Ringhals das größte Atomkraftwerk Schwedens, das 20% des schwedischen Stroms produziert. Wir fahren auf den am Wochenende menschenleeren Parkplatz vorbei am ‘Willkommen in Ringhals‘ Schild. Als Almut ein paar Fotos von der Anlage macht (nur die Gebäude vom öffentlichen Parkplatz aus…), taucht sofort der Werkschutz auf und mahnt uns freundlich an, die Bilder sofort wieder zu löschen. Um keinen Ärger zu verursachen, kommen wir der Aufforderung nach. Falls jemand jetzt sehen möchte, wie die Anlage aussieht, verweisen wir auf die vielen Bilder, die sogar teilweise vom Betreiber des Kraftwerks selbst ins Internet gestellt wurden, und verzichten darauf die Internetbilder hier einzufügen.

Nach der eigenwilligen Definition von ‚Willkommen‘ wollen wir jetzt aber wirklich zurück zur Natur, zurück zu den kilometerlangen feinsandigen Stränden, die ebenso menschenleer sind wie die dahinter liegenden Feriensiedlungen mit Hunderten von Ferienhäusern.

Wir drehen wieder nach Osten ins Landesinnere in das Gebiet um den Bolmensee. Eventuell ist ein Stellplatz in einem Fischercamp noch geöffnet und wenn dann das zugehörige Fischrestaurant auch noch geöffnet hätte, wäre das zwar überraschend aber angenehm. Aber soweit kommt es gar nicht, denn schon vorher finden wir den Campingplatz Valsnäs, der wirklich geöffnet hat und dessen Restaurant ebenfalls jeden Tag ein Mittagessen anbietet. Für Schweden völlig untypisch möchte der Betreiber, dass ich mit Bargeld bezahle – sein Kartenterminal hat den Geist aufgegeben und sein Wunsch ist ihm sichtlich peinlich. Zum Glück habe ich noch ein paar schwedische Kronen übrig. Der Sonnenuntergang taucht das Schilf am See in eine goldgelbe Farbe, nachdem bereits am Nachmittag sich wieder mal ein Regenbogen über die Straße gespannt hatte.

Ab und zu regnet es aus heiterem Himmel und daher sehen wir fast jeden Tag einen Regenbogen nach dem anderen. Die Reise nähert sich dem Ende, wir fahren in den Süden Schwedens, zunächst zum Schloss Torup mit einem riesigen Park. Auch eine Gruppe Kindergartenkinder soll frühzeitig daran gewöhnt werden, sich für schwedische Kultur (oder für den zum Schloss gehörigen Wildpark) zu interessieren und purzelt durch den Park.

In Börringekloster an der E65 gibt es ein paar Backsteingebäude, die sich Börringekloster nennen und wahrscheinlich mal ein Kloster waren, bevor in eines der Gebäude ein Café eingezogen ist, und es gibt ein großes gelbes Gebäude, das sich Schloss von Börringekloster nennt und laut Aussage einer Frau, die gerade ihren Hund ausführt, noch privat bewohnt ist. Von außen macht das Gebäude eher keinen bewohnten Eindruck.

Ein Stück weiter auf der E65 nach Osten weist uns eine Säule auf der eine Gans mit einem kleinen Jungen zu sehen ist darauf hin, dass wir uns jetzt in der Heimat von Nils Holgersson befinden, in der auch unser letzter Anlaufpunkt, das Schloss Svaneholm ist. Von einem Schild vor dem Schloss werden wir freundlich eingeladen, uns einen besonders schönen Garten anzusehen. Einige Pflanzen blühen noch und der Weg liegt voller Esskastanien, die wir natürlich nicht einfach liegen lassen können.

Als wir aus dem Garten wieder herauskommen und auf das eigentliche Schloss zulaufen, kommen wir gerade noch bis zu einem schmiedeeisernen Tor und der Info, dass der Schlosspark ab 16.00 Uhr geschlossen hat – Pech gehabt – aber die Pause in der warmen Sonne im Trädgard (Garten) war es wert, jetzt etwas zu spät gekommen zu sein. Der letzte beeindruckende Sonnenuntergang verabschiedet uns am südlichsten Punkt Schwedens, in Smygehuk, wo wir noch einmal übernachten, bis uns die Fähre am nächsten Tag von Trelleborg nach Rostock bringt.K1600_DSC_2221

Zusammenfassend kann ich sagen, dass Schweden auch im Herbst auf jeden Fall eine Reise wert ist. Anders als andere Urlauber können wir am Ende unserer Reise leider nicht mit beeindruckenden Tageswanderetappen oder Tagesfahrleistungen aufwarten (manch einer ist stolz, das Nordkap in 3 Tagen erreicht zu haben – wir lassen uns sogar 3 Tage Zeit, um von Rostock nach Nürnberg zu kommen). Auch Städte oder Sehenswürdigkeiten, die MAN unbedingt gesehen haben muss, können wir nicht vorweisen; die Orte, die wir besucht haben, haben keinen Weltruhm. Und doch haben wir eine sehr schöne und erholsame Zeit in Schweden verlebt und die vielfältigen Naturschauspiele genossen – die international bekannten Sehenswürdigkeiten fehlen uns daher nicht wirklich und wir freuen uns schon jetzt auf die nächste Reise – das Ziel kennen wir noch nicht.