Wassertage (Schweden 2021_3)

Die Wassertage (Schweden 2021_3)

Das Technikmuseum in Arvesund hat ja wegen Ende der Saison schon geschlossen (siehe vorheriger Bericht) aber die draußen stehenden Exponate wollen wir vor der Abfahrt noch besichtigen. Neben einer Dampfmaschine, die während der Öffnungszeiten auch in Betrieb genommen wird, sticht uns ein wintertauglicher Traktor, dessen Vorderräder durch Skikufen ersetzt worden sind, ins Auge. Für kleine und große Jungs gibt es auch einen Wasserspielpark mit Wasserrädern.

Das Thema ‚Wasser‘ ist eine schöne Einleitung für die nächsten Tage. Erstens beginnt es in der nächsten Nacht andauernd zu regnen und zweitens sind unsere nächsten Ziele spektakuläre Wasserfälle. Am Ristafall gibt es auch einen Campingplatz, so dass man einerseits die herabstürzenden Wassermassen bewundern kann und andererseits das Tosen auch in der Nacht präsent ist.

Den regnerischen Tag nutze ich für die Fertigstellung des zweiten Rustaltravelberichts aus Schweden in diesem Jahr. Der nächste Tag begrüßt uns wieder regnerisch aber das kann ja echte Naturliebhaber nicht bremsen. Wir fahren in Richtung norwegische Grenze und biegen zunächst bei der Chokoladfabrik Are ab. Die Auswahl an handgefertigter Schokolade mit Geschmacksrichtungen von Salzmandel über Moltebeer, Whisky bis zu Chili ist sehr verlockend. Sowohl für uns selbst als auch für die Mitbringsel kaufen wir ein paar exotische Leckereien ein.

Zum Handölforsen, dessen Wasser auch ein Wasserkraftwerk speist, legen wir die nächsten gut 50km zurück. Auf einer schaukelnden Hängebrücke, auf der sich nicht mehr als 3 Personen gleichzeitig befinden dürfen, eiern wir über den Wasserfall zum gegenüberliegenden Ufer. Irgendwie ein komisches Gefühl. Nach uns rückt eine Gruppe von ca. 12 Personen an – da hatten wir bezüglich der Fotos von der Hängebrücke gerade nochmal Glück und Ruhe gehabt.

Unter uns Wasser und über uns Regenwasser beschließen wir die Weiterfahrt zu Schwedens höchsten/größten Wasserfall, dem Tännforsen. Der Tännforsen ist touristisch gut erschlossen – es gibt ein Cafe in einem urigen Holzhaus und man bezahlt stolze Parkgebühren. Dafür ist der Wasserfall, den man von einem Uferweg in mehreren Perspektiven bewundern kann, wirklich großartig.

Sowohl vom Nebel des Wasserfalls als auch vom Regen etwas aufgeweicht suchen wir am Ende des Wegs Zuflucht im Café. Draußen misst das Thermometer noch 9°C, drinnen prasselt in der Stube ein gemütliches Kaminfeuer, es gibt Kaffee, frisch gebackene Waffeln mit Sahne und Blaubeermarmelade – die Romantik ist schon fast kitschig, uns gefällt es richtig gut.

Am nächsten Morgen hat der Regen aufgehört und so brechen wir um die Mittagszeit zum Kretsloppshuset nach Mörsil auf. Das Kretsloppshuset heißt übersetzt ‚Kreislaufhaus‘, was eigentlich die Kombination von Hühnerhof und Treibhaus in einem Haus bedeutet. Tatsächlich gibt es einen supergepflegten Blumen- und Kräutergarten, einen Laden, in dem ökologisch hergestellte Lebensmittel und kleine Haushaltsgegenstände wie z.B. hölzerne Kleiderhaken, Bürsten und Gegenstände aus Filz angeboten werden. Daneben befindet sich das ebenfalls naturbetonte Restaurant/Café, das bis auf wenige, bereits vorreservierte Tische schon gut besetzt ist – es strömen noch viele weitere Gäste nach und stehen vor der Türe schon in einer langen Schlange.

Unser Frühstück ist für uns als Langschläfer noch nicht lange her, wir begnügen wir uns damit, das wirklich sehenswerte Kretsloppshuset gesehen zu haben und machen uns auf den Weg zu den steinzeitlichen Felsritzungen bei Glösa. Vom Parkplatz läuft man ein paar hundert Meter durch eine Landschaft, die auch aus dem Allgäu importiert sein könnte zu einem Bach, an dem die ca. 6000 Jahre alten Felsritzungen zu sehen sind.

Ohne die rote Farbe, mit der die Ritzen ausgemalt sind, würde man sich wahrscheinlich recht schwer tun, die eingeritzten Elchbilder zu erkennen. Die Infotafel sagt, dass die Wissenschaftler auch nicht wissen, zu welchem Zweck die Bilder entstanden sind aber man herausgefunden hat, dass die Bilder schon immer mit Farbe hervorgehoben worden waren. Damals mit einer Farbe aus Eisenoxid und Fett, die, wenn sie richtig gemischt und zubereitet worden war, wohl sogar mehrere tausend Jahre überstehen würde. Ich bin mir gerade nicht sicher, ob unsere moderne Chemie auch imstande ist, derartig widerstandfähige Farben zu produzieren.

Als kleine Orientierungshilfe ist an dieser Stelle der Hinweis gedacht, dass wir uns mittlerweile nördlich des 63.Breitengrads befinden – bis zum Polarkreis sind es noch knapp 3 weitere Breitengrade oder gute 600 Straßenkilometer.

Mal wieder folgen wir dem Wegweiser für eine Sehenswürdigkeit ohne genau zu wissen, was uns erwartet. Es ist das ‚Mus Olle Museum‘ in der Nähe von Ytteran mitten im Wald. Mus Olle war offenbar ein sammelwütiger Einsiedler. In mehreren Häusern des Museums wird gezeigt, was und wieviel der gute Mann gesammelt hatte, der hier mehr oder weniger alleine mit seinen Tieren lebte. Von Haushaltswaren über Bilder und Geweihe bis zu Angel- und Skiausrüstungsgegenständen ist alles vertreten – und die Häuser sind randvoll.

Mus selbst konnte offenbar schreinern, denn eine Schreinerwerkstadt gehört auch zu dem Museumsensemble. Von der Menge und Vielfalt der gesammelten Gegenstände waren wir beeindruckt aber gleichzeitig waren wir auch etwas unsicher, ob die Sammlung tatsächlich den Eintrittspreis von €12.—wert ist – aber das sollen die nächsten Besucher selbst entscheiden.

Ein Badeplatz ist bei diesen Temperaturen der ideal Ort für eine ruhige Übernachtung, weil niemand auf die verrückte Idee kommen würde, bei einer Wassertemperatur von nur noch 14°C baden zu gehen. 

Von der Einsamkeit des Badeplatzes geht’s nach Strömsund, dem Beginn der Wildnisstraße, die sich 370km bis nahe an die norwegische Grenze und dann nach Vilhelmina erstreckt. Nach der großen Brücke haben wir noch einmal die Möglichkeit, ein weiteres Freilandmuseum zu besuchen; das von der Stadt Strömsund betrieben wird und außerordentlich weitläufig und parkähnlich angelegt ist. Das Gelände wird auch für kulturelle Veranstaltungen genutzt. Den Eingang zum Gelände bewacht eine überdimensionale, plumpe Figur mit einer langen Nase auf der nicht eine Warze – so wie bei Hexen – sondern eine Holzhütte zu finden ist. Es ist der Dunderklumpen, eine Gestalt, die man in Märchen wiederfinden kann.

Es gibt eine ehemalige Holzarbeiterhütte, eine Almhütte, eine Samihütte und ein richtiges Museum, welches das Leben mit Gegenständen zu Beginn des letzten Jahrhunderts illustriert, zu besichtigen. Wir werden von einem Trupp Arbeiter angesprochen, die die Gebäude in Schuss halten. Wir sollten uns gerne an sie wenden, wenn wir irgendwelche Fragen zu den Gebäuden hätten. Sowohl dieses Informationsangebot wie auch der Eintritt zum kompletten Gelände sind kostenlos – in Deutschland wäre so etwas wohl eher unüblich.

Wir verlassen Strömsund, bevor die Brücke wegen Bauarbeiten für mehrere Tage gesperrt wird und suchen uns wenige Kilometer weiter einen superidyllischen Rastplatz an einem See für die Nacht.

Am nächsten Morgen beobachten wir ein paar Enten und irgendetwas, das in der Entfernung über den See schwimmt aber deutlich größer als eine Ente ist. Durch das Zoomobjektiv erkennen wir die Geweihe zweier Rentiere, die gerade über den See schwimmen und um die Wildnis komplett zu machen, beobachtet uns auch noch ein Seeadler aus der Luft. Wir sind eben wirklich am Anfang der WILDNISstraße.

Parallel zur eigentlichen Wildnisstraße verläuft auf der anderen Flussseite der Björnvägen (Bärenweg), den man über einen Staudamm an einer Fischtreppe vorbei erreicht.

Die Landschaft strahlt Ruhe aus, die holprige Straße eher nicht. Nach fast 30km Holperpiste biegen wir zum Hällingsafallet ab, den wir vor ein paar Jahren schon einmal besucht hatten und der uns in guter Erinnerung geblieben war. Die Sonne strahlt und wir scheinen exakt zum richtigen Zeitpunkt angekommen zu sein. Denn die Sonne strahlt genau auf den Nebel des Wasserfalls und lässt einen wunderschönen Regenbogen entstehen. Ca. 20 Minuten fotografieren und filmen wir dieses Naturspektakel bis sich eine Wolke vor die Sonne schiebt und den Wasserfall sowie den Canyon, in dem der Fluss weiterfließt geradezu grau und langweilig erscheinen lässt.

Wir freuen uns riesig, dass wir ganz offensichtlich zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen waren. Auch Richtung Gäddede, das an der norwegischen Grenze liegt, kommt man nur auf einer unbefestigten Straße, die an manchen Stellen eine Vielzahl kleiner Schlaglöcher aufweist, die unseren Rudolph kräftig rumpeln lassen und die Straße eher wie eine Scheibe überdimensionales Knäckebrot als wie eine echte Fahrstraße aussehen lassen. An einer Engstelle gibt’s Gegenverkehr, ich stoße zurück, der Entgegenkommende bleibt neben mir stehen lässt die Seitenscheibe herunter, lacht und deutet auf die Aufschrift auf seiner Brust. Dort steht ‚IVECO‘ und er meint, dass wir mit einem Iveco ein sehr gutes Fahrzeug hätten, denn er ist als Ivecohändler natürlich von der Marke überzeugt. Dann wünscht er uns weiterhin eine schöne Reise. Wieder mal – wie schon oft vorher – waren wir wegen Rudolph (unser Fahrzeug mit der roten ‚Nase‘), angesprochen worden. Nicht nur eine Wolke hatte sich mittlerweile vor die Sonne geschoben, es ist mit nur noch 9°C auch richtig kalt geworden. Nach einem nett angerichteten aber mäßig schmackhaften Fastfood-Abendessen im Campingplatzrestaurant von Gäddede suchen wir vor der Weiterfahrt auf der Wildnisstraße noch den Flugplatz von Gäddede auf. Dieser besteht aus einer Schotterpiste, die teilweise mit Gras bewachsen ist und einer Minihütte, die maximal 2 oder 3 Fluggästen einen Warteraum bietet. Der Flugplatz ist dann scheinbar doch eher eine Landepiste für Notfälle.

Wir befinden uns übrigens jetzt im der Region der Sami, weshalb auch die Orte zwei Ortsschilder haben; eines in Schwedisch und eines in Samisprache.

Aber jetzt geht’s weiter auf dem Wildmarksvägen – zunächst am Hühnersee (Kycklingvattnet)

vorbei zum nächsten, deutlich kleineren aber idyllisch gelegenen Wasserfall, dem Brakkawasserfall. Der Boden ist etwas schmierig als wir auf einem Pfad in Richtung Schluchtende zum Wasserfall laufen. Zurück und kurz vor dem Parkplatz kann man noch einmal zu einem Wasserlauf herunterkraxeln. Das Wasser hat sich hier in vielen Jahren durch den bröseligen Tuffstein gefressen und eine pitoreske Kulisse geschaffen.

Die langen Sandstrände eines Stausees, an dem wir entlang fahren, lassen fast Südseeatmosphäre aufkommen, solange man nicht auf das Thermometer schaut – aber mittlerweile habe zumindest ich mich an die frischeren Temperaturen gewöhnt. Hatte ich noch zu Beginn der Reise bei 20°C eine Jacke angezogen, gehe ich jetzt bei 15°C kurzärmelig.

Ein 7km Abzweig von der Wildnisstraße führt uns zum Sami-Kirchendorf Ankarede. Eine Kirche, sowie eine Vielzahl von Samihütten stehen auf dem Gelände. Da die Sami (Ureinwohner Lapplands) bei kirchlichen Festen teilweise von weit her kommen, können sie im Dorf nicht nur in die Kirche gehen, sondern auch in den Hütten übernachten. Die Hütten sind versperrt sind, daher vermuten wir, dass das Dorf auch heute noch wie in alten Zeiten genutzt wird.

Ganz modern ist die Kirche bezüglich der Kollekte. Selbstverständlich kann man mit dem schwedischen Online-Bezahlsystem ‚Swish‘ bequem bargeldlos spenden.