Schweden Herbst 2022 Teil 2

Nach dem erfrischenden Bad am Morgen im Meer schlagen wir wieder den Weg in Richtung Norden an der Ostküste ein und haben uns als Ziel Kristianopel ausgesucht. Kristianopel war in alter Zeit von einer 6m hohen Mauer umgeben, um sich von den Angriffen der Dänen zu schützen. Heute ist von den Angriffen natürlich nichts mehr übrig geblieben, von der Mauer ist noch ein 2-3m hoher Rest übrig geblieben. Auch um den Campingplatz auf der kleinen Halbinsel verläuft die Mauer. Das bedeutet, dass die meisten Camper – von den wenigen, die um diese Jahreszeit noch übrig sind – das Meer aus ihren Fahrzeugen nur erahnen können. Wir, in unserer erhöhten Sitzposition im Rudolph haben über die Mauer freie Sicht aufs Meer. Der Mini-Ort hat die stolze Zahl von 88 Einwohnern. Eine von ihnen führt den Krämerladen, der hier Handelsbod heißt, was so viel wie Handelshütte bedeutet. Hier bekommt man von frischem Brot über Käse, Konserven, Obst und Gemüse, Milch, Waschmittel, Getränke alles, was man zum täglichen Leben braucht – inklusive Briefmarken und Zeitschriften. Lotto kann man natürlich auch spielen. Ansonsten sind im Ort eine alte Kirche und ein paar pittoreske Häuschen, 2 Cafés, der kleine Hafen und ein Leuchtfeuerkorb sehenswert.

Der Leuchtfeuerkorb war die Vorstufe des Leuchtturms. Wie an einem Ziehbrunnen hängt dabei der metallene Korb, in dem Holzscheite brennen und so den Schiffen den Weg in den Hafen weisen.

Nur wenige Kilometer nördlich von Kristianopel folgen wir einem Wegweiser mit der Aufschrift „Fredstenen“. Einerseits ist Fredstenen als Sehenswürdigkeit gekennzeichnet andererseits heißt einer unserer Enkel Fred. Also MÜSSEN wir dorthin. Vor einer alten Mühle finden wir eine aufrecht stehende Steinplatte mit eingemeißeltem Text zu Gedenken an den Frieden mit Dänemark im Jahre 1645, der offenbar hier in Bröms geschlossen worden war. Es ist also ein Friedensstein.

Die alte Mühle steht offen, man kann sie betreten, wenn man den Mut hat auf den bedenklich federnden Fußboden zu treten und sogar die Treppe in den ersten Stock zu besteigen. Das Mahlwerk existiert noch aber die Mühle macht insgesamt den Eindruck als wäre die Renovierung nicht mit ein paar Baumarktsbesuchen und ein paar Wochenendarbeitseinsätzen erledigt…

Trotzdem ist die Mühle ein schönes Fotomotiv für unsere Reise. Der Bauernhof, der der Mühle gegenüber liegt, hat eine Gardsbutik; das heißt so viel wie Hofladen. Auf selbstgemachtes veganes Eis in unterschiedlichen Geschmackssorten wird angeboten – da können wir nicht widerstehen. Aber das Eis kommt erstmal ins Gefrierfach und wir ziehen weiter in Richtung Norden an der Küste entlang. In Bergkvara soll es einen Womostellplatz geben, den wir kurz besichtigen wollen, falls wir in Zukunft in dieser Gegend einmal übernachten wollen. Nun ja, zum Übernachten ist der Platz o.k. aber er würde es nicht in die Liste der 1000 Orte schaffen, die man unbedingt in seinem Leben besucht haben sollte. Der alte Segler, der an der Seenotrettungsstation festgemacht hat, ist da schon eher ein Extrafoto wert.

Auch am Hafen von Bergkvara könnte man ohne jegliche Infrastruktur gegenüber vom Campingplatz übernachten. Der kleine Hafen, an dem ein Schild darauf hinweist, dass man jetzt in einem Schengenstaat angekommen sei (warum ist der Hinweis gerade hier in dem Minihafen?), ist mit Blumenkübeln etwas aufgepeppt worden, verleitet aber auch nicht zum Längeren Verweilen; insbesondere wenn der Wind gerade auffrischt, die Temperatur sinkt und es anfängt zu regnen.

Eine kleine Insel in Sichtweite würde optimal geeignet sein, einen Endzeitszenario-Film zu drehen. Die Insel ist ausschließlich von hohen Bäumen komplett ohne Blätter bewachsen. Ob das Aussehen der Bäume eine Folge der Sommerhitze ist oder ob die vielen Misteln in den Baumkronen jegliche Lebenskraft ausgesaugt haben, wissen wir nicht – irgendwie gruselig ist es auf alle Fälle.

Direkt neben der E22 ist in GoogleMaps der Nostalgimacken als historische Sehenswürdigkeit verzeichnet – offenbar eine Privatsammlung von Gegenständen der letzten 40-60 Jahre. Wir haben nur die Koordinaten aus Google und fahren natürlich prompt erstmal auf der E22 an der „Sehenswürdigkeit“ vorbei. Die kleine Straße, die in eine Wohnsiedlung abzweigt, wäre der richtige Weg gewesen. Wieder einmal genießen wir, dass wir mit Rudolph problemlos auf kleinstem Raum umdrehen können. Der Nostalgimacken beherbergt in einem Garten ein altes Telefonhäuschen, eine Zapfsäule aus alten Tagen, ein paar Schilder und wenn man genau hinsieht, fände man auch noch ein Autowrack, das bereits seit einigen Jahrzehnten von wuchernden Sträuchern festgehalten wird. Die Sammelleidenschaft ist in Schweden, so wie wir es erleben, deutlich weiter verbreitet als in Deutschland. Scheinbar könnte man den Sammelgarten auch offiziell besichtigen, denn sonst wäre das Schild mit Aufschrift „Stängt“ (=geschlossen) gar nicht notwendig.

Heute reiht sich ein Stopp an den nächsten. Gute 5 Kilometer weiter soll es laut dem auf Sehenswürdigkeiten hinweisenden Schild mit Kringel in Söderakra eine interessante Kirche geben. Wie meistens in Schweden ist die Kirche schlicht eingerichtet. Besonderen Wert legt man in Söderakra aber darauf, dass sich auch die jüngsten Gemeindemitglieder in der Kirche wohlfühlen, denn direkt hinter den Kirchenbänken stehen ein paar Tische mit Spielzeug für die Kinder. Und an der Anschlagtafel wird auf das Babysingen  für die 0 bis 1jährigen hingewiesen. Kannten wir bislang auch noch nicht.   

Immer mehr nähern wir uns dem Wohnort unseres Sohnes, wo wir die nächsten Tage auf dem Campingplatz Törestorp verbringen wollen. Im Vorfeld war nicht ganz klar gewesen, ob der Platz tatsächlich nach dem 1. September noch geöffnet hat – die Informationen in verschiedener Apps und Webseiten waren teilweise – wie sich herausstellt, falsch. Geöffnet bis Ende September, sehr schön am See Törn gelegen mit nagelneuen Sanitäranlagen und nach einem belebten Sommer jetzt fast menschenleer. Die Platzgebühr inkl. allem Komfort ist sogar niedriger als auf manchem einfachen Stellplatz. Für diesen Platz können wir eine klare Empfehlung abgeben.

Der erste Ausflug mit Enkel führt uns nach dem ca. 15Kilometer entfernten Emmaboda. Emmaboda ist ein Ort mit rund 5000 Einwohnern, der an diesem Samstag zu einem Markt einlädt. 225 Aussteller, die alles nur Vorstellbare verkaufen sowie über 20000 Besucher werden erwartet. Neben den Verkaufsständen in mehreren Straßen gibt es für Klein und Groß auch Karussells und andere Jahrmarktsattraktionen. Trotz des Events geht es in Emmaboda nicht hektisch zu, den Parkplatz für ein Wohnmobil zu finden ist überhaupt kein Problem, der zentrale Ticketverkauf für die Fahrgeschäfte ist gut organisiert; man kann in bar, mit Karte oder mit dem in Schweden typischen Zahlverfahren SWISH bezahlen. SWISH funktioniert allerdings nur mit schwedischer Telefonnummer und schwedischem Bankkonto – also nicht für uns. Also ist erstmal Karussell fahren angesagt,

bevor wir nochmals 30 Kilometer weiter bei Grönasens Elch-und Nutztierpark ankommen, denn Schweden ohne Elche geht gar nicht. 13 Elche, ein paar Ziegen, Kaninchen, Hühner und Schweine tummeln sich auf dem Gelände. Immer wieder gibt es Aussichtsplattformen, von welchen aus die Besucher angestrengt nach den imposanten Tieren im Gelände suchen, während sich die heute überhaupt nicht kamerascheuen Elche Ihre Mittagspause ein paar Meter weiter direkt neben des Besucherwegs machen.

Nach ausgiebiger Beobachtung aller Tiere fahren wir wieder zurück zum Campingplatz und erleben – wie auch an mehreren anderen Tagen – Traumstimmungen am See.

Unsere Fahrräder sollen natürlich auch nicht unbenutzt im Rudolph liegen bleiben. Also planen wir bei Sonnenschein eine Radtour um den See. Wir kommen zunächst an einer alten Holzhütte vorbei, in der Flachs für die Leinengewinnung getrocknet und verarbeitet wurde.

Vor einem typisch falunroten Schwedenhaus fällt uns ein Stein mit seltsamen Runen auf, der wohl noch aus der Wikingerzeit stammt oder zumindest an die Wikingerzeit erinnern soll. Leider finden wir keine Erklärung für die Schriftzeichen und auch Google muss passen und kann uns nur erklären, dass es ein Runenstein ist.

Auf Schotterwegen kommen wir immer wieder in kleinste Ansiedlungen mit bildschönen Schwedenhäusern oder treffen auch mal junge Ringelnattern, die sich auf dem warmen Weg richtig wohl fühlen.

Auch eine Wassermühle ist wieder dabei, wenn auch der Mühlbach bis auf ein Rinnsal ausgetrocknet ist. An die Mühle selbst kommt man nur mit dem Teleobjektiv heran, was offenbart, dass das Gebäude auf eine großzügige Renovierung bislang vergeblich gewartet hat.

Während der Rundtour hat sich der Himmel immer weiter zugezogen, es ist kälter geworden und dunkle Wolken deuten darauf hin, dass eine längere Picknickpause vielleicht doch nicht die beste Idee ist. Nach 27 Kilometern wieder am Campingplatz angekommen, stellen wir fest dass die Sorge um das Wetter unbegründet war. Das Wetter ändert sich hier sehr schnell, manchmal zum Guten, manchmal zum weniger Guten.

Der nächste Familienausflug ist nach Karlskrona ins Marinemuseum geplant. Karlskrona ist ungefähr 40 Kilometer entfernt, die Sonne scheint und dieses Mal benutzen wir ein Elektroauto. Da die schwedische Regierung mit dem Museum auch etwas Werbung für die Marine machen möchte, ist der Eintritt frei. Im Außenbereich liegen zwei Kriegsschiffe und ein beeindruckender Dreimaster vor Anker.

Im Innenbereich erfährt man viel über die Geschichte der Seefahrt, findet detailtreu nachgebildete Modelle von Seglern und kann in einem  Unterwassertunnel beobachten, welche Fische und Krebse sich um das Museum herum eingemietet haben.

In voller Größe stehen in einer Halle zwei U-boote. Eines aus dem Jahr 1912 und ein neueres, in das man hineingehen kann. „Gehen“ ist vielleicht das falsche Wort, denn an mehreren Stellen  muss sich der Besucher durch enge Luken zwängen.

Das Leben auf einem U-boot ist schon sehr beengend und sicher nicht für Menschen geeignet, die in kleinen, abgeschlossenen Räumen Angst bekommen. Selbst einen Blick in die Torpedorohre kann man werfen. Alles sehr beeindruckend, wenn man für einen Moment vergisst, dass diese Wunderwerke der Technik nur gebaut werden, um entweder anderen Menschen Leid zuzufügen oder aber Menschen mit kriegerischer Gesinnung in die Schranken zu verweisen.

Nichts mit Technik oder Seefahrt hat unser Besuch in der warmen Herbstsonne in der Kaffeestuga auf der südlichen Halbinsel von Karlskrona zu tun. Die Kaffeeterrasse im Wämopark liegt einfach idyllisch und auch das Innere der Stuga strahlt eine besondere Gemütlichkeit aus.

Ein sehr interessanter Ausflug nach Karlskrona geht nach unserer Rückkehr mit leckeren Räucherfischspezialitäten zu Ende. So kann es gerne weitergehen.