Die letzte Woche der Nordlandreise (Schweden 2021_6)

An meinem Geburtstag fahren wir zu dem einsam gelegenen und liebevoll eingerichtete Ferienhaus unseres Sohnes, das gerade mal zwei Tage nicht von Gästen bewohnt ist.

Ganz in Familie gibt’s Kaffee und selbstgebackenen Zwetschgenkuchen bevor wir zu einer Bootstour auf den Läensee aufbrechen.

Leise säuselnd schiebt uns der Elektromotor über den stillen See zu einem abgelegenen Strand. Wir sind fast zwei Stunden auf dem See unterwegs und sind froh, dass wir am Ende etwas schneller als die dunklen Regenwolken wieder zurück sind. Das Wetter ist eben nicht mehr stabil – der Herbst wird hier in Schweden schon immer öfter sichtbar. Immer häufiger kommen auch die in Formation fliegenden Kraniche laut diskutierend hoch über uns auf ihrem Weg in den Süden vorbei.

Am nächsten Tag heißt es Abschied nehmen von der jungen Familie; wir machen uns weiter auf den Weg zur Fähre nach Trelleborg. Auch das letzte Stück Schweden bereisen wir nicht in einem Zug; denn ein paar Tage bleiben uns ja noch und wir wollen auch nicht viele Kilometer an einem Tag fahren. Also bleiben wir gleich an der Kirche des kleinen Dörfchens Vissefjärda hängen. Auch bei dieser Kirche steht der Kirchturm, wie ganz häufig bei alten Kirchen in Schweden  separat und ebenfalls, wie ganz oft, geht gerade jemand dem schwedischen Volkssport ‚Rasen Mähen‘ rund um die Kirche nach. Selbstverständlich ist es nicht mein Ziel, über jeden einzelnen Pilz zu berichten, den wir auf unserer Reise gesehen hatten (es waren unzählig viele Pilze) aber der gigantisch große Pilz, der sich an einem Baum angesiedelt hatte, erscheint mir doch erwähnenswert. Laut Internetrecherche handelt es sich um einen Schwefelporling, der, wenn er noch jung ist, mit einem Geschmack von Hähnchen essbar ist. Das Exemplar im Foto dürfte wahrscheinlich schon recht alt, weniger geschmackvoll und zäh sein.

Wieder über kleine Nebenstraßen steuern wir in Richtung Nogersund an der Südostküste. Der Sehenswürdigkeitenkringel weist dieses Mal auf das Göljahult Naturreservat hin. Gleich zu Beginn des Rundwegs steht ein sehr seltsamer Nadelbaum mit weich hängenden langen Zweigen. Soweit wir die schwedische Beschreibung verstehen, würde man in dem Naturreservat noch weitere seltene Pflanzen und Bäume finden. Na ja, soooo wichtig sind die Bäume auch wieder nicht. Außerdem lernen wir auf unserem  Weg, dass ‚Stockholm‘ angeblich die Hauptstadt Schwedens ist aber hier an unserer Straße aus gerade mal 3 Häusern besteht.

Auf der Halbinsel bei Nogersund haben sich schon einige Wohnmobile eingefunden und ihre Kühlerhauben in Richtung Meer gereckt. Die Sonne scheint, in der Ferne kann man die Insel Hanö sehen und es weht ein ordentlicher Wind. Ich sollte vielleicht sagen, dass wir meinten, dass der Wind schon recht kräftig sei, weil wir ja nicht wussten, dass es in der Nacht stürmisch würde.

Die ganze Nacht werden wir vom Sturm durchgeschaukelt, der Regen prasselt genau über unseren Köpfen an den Alkoven und die Befestigungslöcher der Dachreling wirken im Wind wie eine wenig musikalische Panflöte – erholsam schlafen geht anders. Morgens ist es windstill, Hanö ebenso wie  große Teile des Meeres sind im Nebel verschwunden; der Hafen wirkt in den Nebelschwaden mystisch.

Bei leichtem Nieselregen steigen wir für ein paar Fotos des Trolle Ljungby Schlosses aus. Besichtigung des Schlosses, zudem enorm große Ländereien gehören, ist ohnehin nicht möglich.

Also retten wir uns wieder ins trockene Führerhaus und biegen einige Kilometer später in den Ort Ahus ab. Entlang des fjordähnlichen, sehr lang gestreckten Bootshafens betrachten wir die luxurösen Villen am Ufer und die eleganten Yachten und kommen zu dem Eindruck, dass doch nicht alle Schweden ein ähnliches Einkommen beziehen – es gibt wohl doch den einen oder anderen Schweden, der etwas mehr ‚Glück im Leben‘ gehabt hat. Aber auch romantische alte Gassen finden sich in Ahus.

Der Größe der Parkplätze nach müsste der Strand von Friseboda im Sommer intensiv bevölkert sein. Jetzt steht außer uns niemand auf dem Parkplatz, auf dem Weg zum Strand wachsen ein paar Schopftintlinge und der Strand selbst ist menschenleer.

Würde die Luft nicht kühl sein, könnte man glatt in der Ostsee baden gehen – das Wasser wäre ausreichend warm. Je weiter man in Richtung Kivik (das wird ‚Schivik‘ ausgesprochen) kommt, umso mehr Apfelplantagen sind links und rechts der Straße zu sehen.

Kivk ist für alles, was mit Äpfeln zu tun hat, berühmt; im Sommer gibt es an einem Wochenende einen Apfelmarkt, der dann auch die Übernachtungspreise nach oben schnellen lässt. Jetzt, im Herbst hängen die Bäume zwar noch voller Äpfel, Touristen gibt es aber so gut wie keine mehr. Den Besuch der bekannten Mosterei hatten wir auf den nächsten Tag verschoben; für heute gibt’s nur noch einen kurzen Besuch bei einer steinzeitlichen Steinsetzung sowie einem Hügel aus aufeinander geschütteten Steinen, der sich als ‚Das Königsgrab‘ herausstellt. Scheinbar war der König ‚steinreich‘ gewesen.

Wir sammeln auf dem Campingplatz ein paar Pilze und genießen wieder einmal den Sonnenuntergang, bis es draußen zu kalt wird.

Am nächsten Morgen ist der Parkplatz an der Mosterei bereits gut gefüllt und der mit Trassierband gekennzeichnete Zugang zum Verkaufsraum lässt darauf schließen, dass es auch schon mal lange Schlangen vor dem Eingang geben kann. Heute ist der Ansturm dennoch erträglich und wir können in Ruhe zwischen Säften, Marmeladen und verschiedenen Cidres wählen. Die Mosterei hat keine Lizenz zum Verkauf von stärkeren alkoholischen Getränken, weshalb der maximale Alkoholgehalt bei 2,2% liegt.

Wir packen unsere ‚Beute’ in einen Karton und steuern auf der Küstenstraße die Felsritzungen hinter Simrishamn an. Wieder einmal freuen wir uns über die Wasserdichtigkeit unserer Kamera, denn das Wetter hat auf ‚Novemberregen‘ umgeschaltet, so dass die Kulturbegeisterung für die Steinritzungen (die dieses Mal nur 3000 Jahre alt sind) nach ein paar Minuten beendet wird.

In Skillinge werden die Yachten am Hafen auch schon eingewintert und wir hoffen, dass wir die berühmteste Steinsetzung Schwedens, Ales Stenar, ohne strömenden Regen besichtigen können. Leider wird unser Wunsch nicht erhört, so dass die Sehenswürdigkeit, die einen Fußmarsch von 2 Kilometern im Regen erfordern würde, noch ein paar Jahre ohne uns auskommen muss und sich ganz auf die jährlich 700.000 anderen Besucher konzentrieren kann.

Vorbei an Kürbisfeldern, auf einem Hügel wachenden oder in einer Hängematte schlafenden Kühen fahren wir nach Smygehuk, dem südlichsten Punkt Schwedens, der auch unser letzter Übernachtungsplatz werden soll.

Ausgeschlafen aber mit leerem Magen fahren wir die letzten 16 Kilometer zum Hafen von Trelleborg, in dem bereits unser Fährschiff Peter Pan mit einem leckeren Frühstücksbuffet auf uns wartet. Das Einchecken funktioniert schwedentypisch völlig problemlos ohne jegliches Personal. Das Buffet ist gut bestückt, das Restaurant jetzt um diese Jahreszeit ist fast leer, wir schlemmen am Fenster, bis wir pünktlichst um 10.00 Uhr in Richtung Travemünde ablegen.

Die Fähre Peter Pan weist eine Besonderheit auf: Sie ist im Jahre 2018 in der Mitte auseinandergesägt und um 30m verlängert worden. Jetzt ist sie fast 220 lang und bietet auf insgesamt 4 Decks und 3,67km Garagenplätze für den Transport von Autos an. Das mag sich im Sommer rentieren, jetzt sind nur ein paar späte Touristen wie wir und eine begrenzte Anzahl Trucks in den Garagen zu finden.

Nach den Kalkfelsen von Mön verfolgen wir in der Panoramabar, direkt unter der Brücke gegen 18.00 Uhr die Einfahrt nach Travemünde am leeren Strand vorbei.

Noch eine Übernachtung in Travemünde und dann geht’s mit einem kleinen Umweg über Osnabrück zum Besuch von Bekannten, vorbei an vielen alten Backsteinhäusern und später in Hessen an Fachwerkhäusern nach 55 Übernachtungen und 7200km Strecke wieder nach Hause, um möglichst bald die nächste Tour zu planen und wieder aufzubrechen.

Vom Polarkreis wieder in den Süden (Schweden 2021_5)

Auf derselben Straße, auf der wir nach Jokkmokk gekommen waren, fahren wir die nächsten Kilometer wieder nach Süden und überqueren dabei noch einmal den Polarkreis.

Die Straße gabelt sich, wir folgen ihr in Richtung Südosten zum Storforsen. Das sind nicht irgendwelche Stromschnellen, sondern wie der Name sagt „die GROßEN Stromschnellen“. Die Dramatik der Natur steigert sich vom Parkplatz kommend ganz langsam; denn zunächst kommt man bei den Doda Falls vorbei. An den ‚toten Wasserfällen‘ fließt heute nur noch ein wenig Wasser, weil man den Fluss in der Vergangenheit etwas umgeleitet hatte, um die gefällten Baumstämme zielgerichteter flussabwärts schicken zu können.

Heute werden die Baumstämme natürlich mit gigantischen Holztransportern mit bis zu 9 Achsen vom Wald in die Sägewerke und Papierfabriken gebracht – die gewaltige Energie des Piteälven bleibt ungenutzt.

Und so überlegt man, ob man nicht wenigstens wieder Wasser durch die die toten Fälle leiten könnte. Dann wären allerdings die todesmutigen Sprünge einiger Jugendlicher in den stillen Armen des Flusses wohl nicht mehr möglich.

Wir entscheiden uns, in der Nähe von Pitea die Nacht bei einem Fischerbootshafen, dem Renöhamn zu verbringen. Zig Bootshäuser, in denen die Fischer (und wahrscheinlich auch etliche Freizeitkapitäne) ihre Utensilien unterbringen können, stehen am Ufer. Am Abend können wir noch beobachten, wie Männer zu einer Seenotrettungsübung ausrücken. Riesige Reusen deuten auf noch aktiven Fischerbetrieb hin und der Name eines Fischerbootes – „Polar AF“ – erinnert uns, dass wir uns noch sehr im Norden von Schweden befinden.

Wir unterhalten uns abends mit dem Hafenwart und – man glaubt es kaum – er kennt nicht nur das Minidorf, in dem unser Sohn seit ein paar Jahren im Süden von Schweden wohnt, die Schwester arbeitet sogar dort in dem mehr als 1300km entfernten  Altersheim. Die Welt scheint doch recht klein zu sein. In Pitea selbst findet man moderne Bürogebäude ebenso wie eine herausgeputzte Strandpromenade oder ein Bootsmuseum mit einem Glassboot.

Das ist kein Boot, das, wie man meinen könnte einen Glasboden besitzt, um die Unterwasserwelt beobachten zu können – nein es handelt sich um ein einige Jahrzehnte altes Schiff, auf dem ganz einfach Glass verkauft wird, was auf deutsch übersetzt „Eis“ heißt. Heute können wir natürlich kein Eis kaufen, denn auch in Pitea ist Saisonende und daher gibt es Eis erst wieder im Sommer kommenden Jahres.

Na dann fahren wir eben nach Jävre zu einem alten Leuchtturm, einer Fischräucherei und einer Raststätte, die ganz im Stil der 60er Jahre eingerichtet ist. Der Leuchtturm steht selbstverständlich noch, die Räucherei ist ebenso wie die Nostalgieraststätte wegen Saisonende geschlossen.

Leuchtturm von Jävre

Es ist im Moment nicht ganz einfach, Sehenswürdigkeiten zu genießen, die nicht rein natürlich sind. Ein natürlicher Ort könnte Byske Havsbad sein – also ein Badeplatz am Meer. Hinter dem menschenleeren Strand und dem  – wegen Saisonende geschlossenen Café Byscaya befindet sich ein Campingplatz mit großem Vergnügungsbereich mit Wasserrutsche etc. Es mag sein, dass der Campingplatz noch irgendwie geöffnet hat; die Rezeption und der Eingang zum Vergnügungsbereich mit Pool sind auf alle Fälle geschlossen, trotzdem heute ein  Supertag zum Baden wäre. Das Meerwasser ist zumindest ausreichend warm. Wir genießen den leeren Strand und malen uns aus, wie voll hier alles im Sommer sein könnte.

Letztendlich machen wir uns weiter in Richtung Süden zum Übernachtungsplatz Burea Bathamn auf, wo wieder einmal einen spektakulären Sonnenuntergang bewundern können, sogar eine Sauna am Stellplatz haben und letztendlich ruhig schlafen.

Der äußerste Zipfel einer Halbinsel – der Bjuröklubb – zieht uns magisch an. Auf den ersten Blick wenig spektakulär, wenn es da nicht die Landhebung gäbe. Seitdem am Ende der letzten Eiszeit die schweren Eismassen geschmolzen sind, steigt, das Land von der Eislast befreit kontinuierlich aus dem Meer auf. Der Wasserspiegel scheint also zu sinken; in Wirklichkeit steigt das Land pro Jahr ca. 9mm aus dem Meer auf. Wenn man etwas auf den Felsen herumkraxelt, findet man auch eine Markierung, die den Wasserstand vor mehr als hundert Jahren zeigt.

Einen Super-Ausblick hat man von dem in der Nähe liegenden Leuchtturm – auch hier gäbe es ein Cafe, das aber nur am Wochenende öffnet.

So lange wollen wir nicht warten und so ziehen wir weiter nach Ratan mit einem kleinen Hafen. Wir erfahren, dass dieser „kleine“ Hafen einst der bedeutendste Umschlaghafen in ganz Nordschweden war, weil es sich geschickterweise um einen natürlichen Hafen handelt. Von der großen Bedeutung spürt man heute nichts mehr, es finden sich nur noch ein paar private Boote und ein alter sowie ein neuer Mareograph. Der Mareograph misst exakt die Landhebung. Die Wissenschaftler Celsius und Linne waren die ersten, die Messungen machten und herausgefunden hatten, dass die Angst vor einem sinkenden Meeresspiegel unbegründet ist.

Der einst bedeutendste Hafen Nordschwedens

Über eine große Hängebrücke bei Umea geht es auf der E4 weiter in Richtung Süden.

Wir sind es gar nicht mehr gewöhnt, auf einer stärker befahrenen Straße wie der E4 zu fahren. Hier sind mehr Fahrzeuge, es wird schneller und hektischer gefahren und manchmal auch risikoreicher als auf den einsamen Straßen in der Wildnis. Die Folgen werden wir in Kürze noch spüren.

Wir biegen auf die Halbinsel nach Skeppsmalen ab und fahren bis ganz ans Ende. Dort gibt es nicht nur das in Schweden häufigere seltsame Lastenmotorrad und ein paar idyllische Fischerhäuschen zu sehen; es gibt auch einen Selbstbedienungsladen für gefrorenen und geräucherten Fisch. Das Wechselgeld liegt offen in einer Schachtel, für Scheine gibt es immerhin eine eiserne Box mit Schlitz. Ein paar Scheine wandern in die Box und eine paar Fische in unseren Kühlschrank.

Es gibt auch einen völlig menschenleeren Stellplatz. Zur Bezahlung soll man einen Mann anrufen, der auch nach wenigen Minuten auftaucht. Nein, die etwas schöner gelegenen, geräumigen Plätze auf dem großen Parkplatz dürfen wir solange nicht benutzen, solange wir nicht €10.— zusätzlich für Strom bezahlen; ansonsten können wir neben ein paar alten Containern in einer dunklen Ecke des Platzes übernachten. Für so viel Geschäftssinn bei einem völlig leeren, landschaftlich nicht reizvollen Parkplatz haben wir kein Verständnis und verabschieden uns von dem einzigen unfreundlichen Schweden in unserem Urlaub. Hier an der Höga Kusten sind Plätze zum freien Übernachten schwer zu finden, da am Ende eines jeden Miniweges letztendlich ein Wohn- oder Ferienhaus steht. Also steuern wir den Campingplatz Solbacken (Sonnenhügel) an. Der Übernachtunsgpreis ist genauso hoch wie auf dem überteuerten Parkplatz, die Aussicht ist überragend, die Ausstattung ist perfekt, sogar einen SwimmingPool gäbe es für die Nutzung bei etwas angenehmeren Temperaturen. Der Campingnachbar mit seiner Samifrau begrüßt uns freundlich und auch der Eigentümer sorgt mit seiner Höflichkeit und Freundlichkeit für angenehmen Aufenthalt. Aber nicht nur deswegen erwähne ich diesen Platz in Dekarnäs; nein auch weil wir hier auch den ersten alkohol- und rauchfreien Campingplatz in unserem Leben gestoßen sind. Warum eigentlich nicht!

Bei der Fahrt durch Örnsköldsvik fallen uns die 3 Sprungschanzen am Paradiskullen sowie ein buntes Haus mit besonders neckischer Architektur auf. Auf mehr ‚Stadt‘ steht uns der Sinn nicht.

Wieder auf der E4 meldet unser Navi einen mehrere Kilometer langen Stau voraus auf der E4, dem wir leider nicht mehr umgehen können. Ein Stau ist zwar auf den Straßen Schwedens eher etwas Besonderes aber bei einer knappen Stunde Stillstand fühlen wir uns dennoch nicht privilegiert. Es stellt sich heraus, dass an einer nur einspurigen Stelle ein Wohnwagenfahrer offenbar die Kontrolle über seinen Anhänger verloren hat und damit den Stau ausgelöst hatte. Zugfahrzeug und Wohnanhänger sehen nicht so aus als würde der Urlaub des Fahrers noch besonders entspannt werden.

Wir schauen, dass wir möglichst schnell wieder die E4 verlassen und auf kleineren Straßen die Natur und die Landschaft genießen können. Dazu ist der Höga Kusten Rundweg bestens geeignet. Auf einem Rastplatz lädt die nachgebaute Minisilhouette von Nordingra zu dieser wirklich interessanten und landschaftlich lieblichen Rundtour ein.

Ein paar Kilometer nach dem eigentlichen Ort Nordingra macht ein überdimensionaler Wasserkessel auf das Museum Mannminne aufmerksam.

Nach 16.00Uhr ist das Museum geschlossen aber wir können die im Freien stehenden Exponate in der Abendsonne und insbesondere vor dem Eintreffen der dunklen Regenwolke gerade noch fotografieren. Ein chinesischer Pavillon steht in Nachbarschaft einer Straßenbahn, eines Militärdüsenjets, eines Dampfschiffes, einer Tiefseetaucherglocke und noch einiger anderer Exponate, die man inmitten einer landwirtschaftlichen Gegend überhaupt nicht erwarten würde. Auch die Schriftzeichen des chinesischen Tierkalenders finden sich an einer Wand.

Interessant und irgendwie verrückt die Zusammenstellung. Nach einem ganz kurzen Schauer strahlt die Sonne wieder, so dass wir noch einmal abbiegen, um das Fischerdörfchen Bönhamn zu besuchen. Die Abendsonne taucht das Dörfchen in warmes Licht, die Häuschen mit dem Wasser im Hintergrund und den Trockengestellen für den Fisch erscheinen schon wieder wie die perfekte Postkartenidylle – es ist ganz still im Ort, nachdem der Betreiber der lokalen Fischräucherei auch noch nach Hause gefahren ist. Entspannung pur. Hier würde ich sofort meinen Wohnsitz aufschlagen wollen.

Ein paar Kilometer weiter genießen wir nochmals die letzte Abendsonne am Badeplatz Omnebadet bis es draußen richtig kalt wird und wir uns in unser rollendes Hotel zurückziehen.

Wieder für ein Stückchen auf der E4 fahren wir über Schwedens größte Hängebrücke, die Hogakustenbron. Die Pfeiler stehen fast so weit auseinander wie bei der Golden Gate Bridge – ein beeindruckendes Bauwerk; egal ob man drüber fährt oder es von unten betrachtet (das machen wir nämlich auch und fahren extra zu einer kleinen Nase, von der früher die Fähre über den Angermanälven gefahren ist).

Die Stadt Timrå erkennt schon weit vor der Stadtgrenze durch ein 30m hohes Kunstwerk, das in bunten Farben einem Ypsilon ähnelt. Um dieses Ypsilon herum findet heute eine Veranstaltung für Menschenrechte statt. Es gibt Informationsmaterial, Essen und Trinken und zur Beschäftigung der Kinder und Kind gebliebenen zeigen auch Seifenblasenartisten ihr Können. Das ist typisch Schweden und aus unserer Sicht auch sehr klug. Denn würde eine Familie zu einer Veranstaltung für die Menschenrechte kommen, wenn sie befürchten müssten, dass die Kinder gelangweilt den Informationswunsch der Eltern stören würden? Eher nicht.

Der Tag scheint sich zu einem ‚Brückentag‘ zu entwickeln, denn nur ein Stückchen weiter fahren wir über die geschwungene Sundsvallbrücke über den gleichnamigen Sund. Die Brücke ist noch sehr neu und wurde von der Firma Max Bögl aus Wien im Jahre 2014 fertig gestellt. Die Ästhetik der Brücke, sofern man bei massiven Betonbauwerken von Ästhetik sprechen kann, wird uns erst bewusst als wir die Pfeiler und den eleganten Bogen von unten ansehen. Und selbst für die Betrachtung dieser Brücke haben die Schweden in bester Aussichtsposition ein paar Ruhebänke und einen Grillplatz aufgestellt.

Wir folgen mal wieder dem Kringelzeichen, das auf Sehenswürdigkeiten hinweist.

In diesem Fall auf ‚Galtströms Bruk und Herrgård‘. Es stellt sich heraus, dass wir tatsächlich schon vor gut 10 Jahren diese Sehenswürdigkeit schon einmal besucht hatten. Eisenerz wurde hier verhüttet, die dafür notwendige Holzkohle selbst produziert und alles, was transportiert werden musste, von A nach B mit einer kleinen Schmalspurbahn gefahren. Oberhalb der ‚Industrieanlage‘ strahlt in einem parkartig angelegten Garten die weiß im Sonnenlicht leuchtende Unternehmervilla. Eisen scheint ein einträgliches Geschäft in Schweden gewesen zu sein.

Folgt der man der kleinen Straße am – wegen Saisonende geschlossenen Café – vorbei zum Meer, erreicht man einen Stellplatz für Wohnmobile und Anlegeplatz für Segelboote, der kostenlos sämtliche Serviceannehmlichkeiten bietet. Wie sich herausstellt, ist das nicht dem Erbe des ehemaligen Eisenproduzenten sondern dem Sponsoring von SCA, der bekannten Firma für Papierprodukte, zu verdanken.

Mit den endlosen Wäldern in Nordschweden haben sich natürlich auch einige namhafte Holzhandels- und Papierproduktfirmen hier angesiedelt.

Der nächste Tag soll im Zeichen lukullischer Genüsse stehen. Wir wollen in dem kleinen Fischerort Skärsa im  landesweit bekannten Feinschmeckerrestaurant ‚Albertina‘ zu Abend essen. Der Fischerort liegt totenstill und romantisch in der Sonne – das Albertina ist, trotzdem es der Ausgehtag Sonntag ist, genauso totenstill. Saisonende.

Wir radeln um die Bucht zur Fischräucherei. Die ist zwar auch geschlossen aber wir können immerhin noch ein paar letzte Stücke Räucherfisch aus einem Selbstbedienungskühlschrank kaufen.  Wir unterhalten uns ein wenig mit der Chefin der Räucherei und sie sagt uns „we have worked all summer and now we are tired“ – und daher hat die Räucherei geschlossen. Vielleicht wird sie am kommenden Donnerstag noch einmal geöffnet aber sicher ist das nicht. Die Häuschen in Skärsa machen auf uns den Eindruck von als würden sie hauptsächlich als Feriendomizil genutzt – somit wäre es klar, dass man bei nicht mehr anwesenden Bewohnern des Dörfchens auch keine geräucherten Fische mehr braucht. Also packen wir unsere Falträder wieder ein und machen uns auf den Weg. Ein Uraltoldtimer am Straßenrand bringt uns dazu nochmals umzudrehen, damit wir das Fahrzeug fotografieren können. Der Oldtimer steht vor einer Halle, unter den Bäumen stehen mehrere Tische wie in einem Biergarten. Schon kommt ein Mann auf uns zu und erklärt uns, dass wir eine halbe Stunde zu späte dran sind. „Für was zu spät?“ Es gab gestern und heute einen Bauernmarkt mit allerlei Gemüseverkauf, traditionelles Brot war gebacken worden aber der Markt ist zu Ende und die Veranstalter sitzen noch etwas in der Halle zusammen. Der Oldtimer stellt sich als Fischverkaufsfahrzeug aus dem Jahre 1936 heraus, ein weiterer zu einem  Verkaufswagen umgebauter Citroen Lieferwagen stammt aus dem Jahre 1961.

Beide Fahrzeuge sind Familienbesitz und voller stolz zeigt uns der Mann in der Halle, die für Veranstaltungen wie Geburtstagsfeiern oder Hochzeiten genutzt wird, einen alten VW Käfer, der ebenfalls Familienbesitz ist. Während wir noch plaudern, kommt seine Frau und lädt uns zu Kaffee und Kuchen ein. Es ist ein Rote Beete Kuchen – nach einem der Mohrrübentorte ähnlichen Rezept. Sehr lecker und die Einladung war völlig unerwartet.

Der nächste Anlaufpunkt ist Söderhamn, der südlich Hafen. Sofort fällt einem ein Turm mit Zinnen ins Auge. Der Turm gehört zur Oscarsborg, die im ausgehenden 19.Jahrhundert fertiggestellt wurde. Die Burg war auf Drängen einer Sängerinitiative gebaut worden und durch die Erlöse von Folkfestivals in den Jahren 1893 und 1894 finanziert worden. In der Innenstadt finden sich einige sehenswerte historische Gebäude sowie auch Kirchen. Auch ein Spaziergang entlang des Flusses Söderhamnsan ist zu empfehlen.

Wir verlassen Söderhamn, biegen zum Bergvikensee ab und finden wieder einmal einen Wegweiser mit dem typischen Kringel für Sehenswertes. Der Wegweiser weist zum „Knupbodarnas Fäbodvall“. Ohne irgendeine Idee, was uns erwarten könnte, biegen wir in die unbefestigte Straße in den Wald ein. Nach einigen Kilometern ist noch nichts passiert und wir wollen schon fast enttäuscht umdrehen, da sehen wir links ein Gatter und davor ein verwittertes Holzbrettchen mit der Aufschrift ‚Knupbodarna‘. Ein Stück hinter dem Gatter erkennen wir ein paar Holzhütten, das Gatter ist nicht versperrt, der Rasen hinter dem Gatter gemäht. Also gehen wir mal rein und finden uralte verwitterte Häuschen und eine Beschreibung, die besagt, dass es sich um ein sehr altes Almdorf handelt und man dort im Sommer – jetzt nach Saisonende nicht mehr – gerne zum Kaffee trinken und Kuchen essen kommen kann. Das hätten wir natürlich gerne in dieser Oase der Ruhe gemacht. Aber so müssen wir uns auf ein paar Fotos beschränken, die nur mäßig die besondere Stimmung dieses Platzes wiedergeben können. Diesen Ort sollte man also unbedingt vor dem 15.August besuchen!

Wieder zurück auf der Hauptstraße kommt uns eine ‚Gatukök‘ (wörtlich übersetzt: Straßenküche) gerade recht, der ein paar Sitzplätze vor dem Hözhäuschen sowie Hering mit Kartoffelbrei und Preißelbeermarmelade anbietet. Obwohl wir an einer Straße sitzen, zieht nur ab und zu mal ein Holzlaster, ein Traktor oder das Fahrzeug des Postboten an uns vorbei – ansonsten scheinen auch hier die Uhren langsamer zu gehen und wir werden wieder einmal nach dem Essen zum Kaffee eingeladen.

Der nächste Sehenswürdigkeitenkringel lockt uns zu dem alten Wij Eisenstangenwalzwerk im Ort Ockelbo. Zum Beispiel könnten hier die berühmten und sprichwörtlichen ‚Schwedischen Gardinen‘ (Stäbe für Gefängnistüren) hergestellt worden sein. Die Anlage ist nicht menschenleer aber die anwesenden Personen sind nicht etwa Touristguides, die eine Führung anbieten, sondern Maler, die das riesige Blechdach der Anlage neu streichen.

Also auch hier Besichtigung nur von außen. Die Maschinen wurden damals ohne Frage mit Wasserkraft angetrieben und am Zulauf zum Mühlantrieb findet sich ein offizieller Badeplatz mit abgegrenztem Kinderbereich – eine ideale Kombination von Kultur und Freizeit. Schon seit dem Morgen fahren wir auf einer Straße, die sehr wahrscheinlich mal ein alter Handelsweg war, denn es befinden sich immer wieder steinerne Meilensteine entlang der Straße. Eine genauere Bedeutung der Meilensteine konnten wir leider nicht ermitteln.

Mehrere App-Empfehlungen für Übernachtungsplätze können uns nicht überzeugen, so dass wir letztendlich auf dem Campingplatz in Arsunda landen. Hinter dem langen Sandstrand steht ein noch voll betriebsbereiter Buckelvolvo, der sicher deutlich älter als 50 Jahre ist.

Ebenfalls sehr alt ist Elsa Anderssons Konditori in Norberg. Norberg liegt zwar schon in der Provinz Västmanland aber um dorthin zu kommen, streifen wir noch die Provinz Dalarna, die durch ihre bunten holzgeschnitzten Pferdchen bekannt ist. Die Pferdchen werden in verschiedenen Größen angeboten – ein 6,18m hohes Exemplar begrüßt uns auf dem Parkplatz einiger Fastfoodrestaurants und Geschäfte. Rudolph sieht mit seiner Höhe von 3,35m geradezu lächerlich neben dem ‚Dalarna-Pferdchen‘ aus.

Die berühmte Elsa Anderssons Konditori war vor wenigen Jahren von irgendwelchen Verrückten abgebrannt worden, ist aber inzwischen mit viel Liebe wieder originalgetreu aufgebaut. In verschieden gestalteten Räumen sowie einem Wintergarten, kann man die leckeren Kuchenspezialitäten in altertümlicher Atmosphäre genießen – klar, dass auch wir dort eine gemütliche Pause machen.

An der Umgehungsstraße von Norberg hatten wir auf der Herfahrt schon den Hinweis auf die Mossgruve gesehen. Also kommt nach einem Stück Prinsesstorta (immer die mit dem grünen Überzug – und sehr süß) wieder etwas Kultur ins Programm. Die Sonne strahlt, das Museum hat geschlossen, ein paar rostige Loren sind von den Grubenarbeiten noch übrig geblieben und über den Zaun sieht man, wie ein Teil der Grube bereits mit Wasser vollgelaufen ist und die Felsen sich in der glatten Wasseroberfläche spiegeln. Hier wird schon seit gut hundert Jahren kein Eisenerz mehr abgebaut. Das erste Mal wird uns der beginnende Herbst bewusst, immer mehr Zweige der Bäume färben ihre Blätter schon gelb in der warmen Herbstsonne.

Da die Museen immer geschlossen sind, dauern Museumsbesuche auch nicht lange und wir sind gespannt, welche Sehenswürdigkeiten uns auf der Weiterfahrt in Richtung Süden noch angeboten werden. Da wäre zum Beispiel der Fagersta Västanfors Hembygdsgard. Mehrere Pkw auf dem Parkpülatz könnten ein Anzeichen dafür sein, dass wir hier völlig überraschend auf eine noch geöffnete Sehenswürdigkeit gestoßen sind. Das ist auch grundsätzlich richtig – aber eben nicht an Montagen oder Dienstagen; und heute ist Dienstag. Also freuen wir uns an dem Mini-Hembygdsgard mit Kiosk und Würstelbude für die Kleinen und schlendern zwischen den Häusern zur Anlegestelle und zur Prinsess Victoria Schleuse.

Wir lernen, dass die Schleusen, die die Seen auf dem Weg nach Stockholm verbinden, jeweils einem Mitglied des Königshauses gewidmet sind. Und hier war vor Kurzem Prinzessin Victoria zu Besuch gewesen.

Auf der Suche nach einem Stellplatz für die Nacht, bietet uns eine App einen Parkplatz an der ehemaligen Kalklinbana Forsby Köping an. Der Parkplatz ist am Ende einer Holperstrecke auf einem Hügel und um die Wendeschleife stehen die Loren der alten Bahn, mit denen der abgebaute Kalk in früheren Zeiten wegtransportiert wurde. Von hier oben hat man einen weiten Überblick auf den Teil der riesigen Kalkgrube, der noch bearbeitet wird. Es ist fast 19.00 Uhr und die Baumaschinen dröhnen aus der Grube herauf. Wenn die so spät am Abend arbeiten, steigt die Geräuschkulisse womöglich auch am nächsten Morgen besonders früh – also zum Übernachten ungeeignet.

Kalkgrube

Wir fahren an glücklichen Schweinen, die auf einem extrem weitläufigen Gelände frei herumlaufen dürfen und Traktoren, die deutlich mehr als Straßenbreite haben zur nächsten Stellplatzempfehlung ein paar Kilometer weg von der Hauptstraße.

Am Ende der Zufahrt wird gerade ein Skigebiet neu erschlossen; das Serviceangebot für Wohnmobilisten ist bereits fertig und in hervorragendem Zustand. Links und rechts des Platzes, der zum Ort Vingaker gehört tummeln sich in einiger Entfernung jede Menge Rehe – Natur pur – total ruhig ist es auch und auch die Sonne zeigt noch einmal, wie schon so oft auf dieser Reise, wie unterschiedlich und schön Sonnenuntergänge sein können.

Am nächsten Tag haben wir offenbar wieder eine alte Handelsstraße erwischt, denn wieder säumen den Weg uralte Meilensteine; diesmal jeweils total verwittert, nicht mehr lesbar und auf Steinhaufen gebaut. Die Meilensteine sind nicht das einzige Überraschende; ein paar Kamele, die offenbar als Haustiere gehalten werden, sind ebenfalls unerwartet.

Eigentlich steht uns der Sinn an diesem schönen Herbsttag noch einmal nach Baden und da taucht auch schon ein ‚Badplats‘ auf. Das Thermometer zeigt eine Wassertemperatur von 17°C an – das geht gerade noch – also rein ins definitiv kühle und erfrischende Nass. Wir scheinen aber nicht komplett exotisch zu sein, wenn wir bei derartigen Wassertemperaturen baden, denn noch ein paar weitere Badegäste gesellen sich zu uns und suchen Abkühlung.

Erfrischt fahren wir an diesem Nachmittag noch bis Berg, wo eine Schleusenanlage mit mehreren Schleusen direkt hintereinander den Seglern die Weiterfahrt über einen See und ein paar Kanäle bis zum Meer ermöglicht. Hier waren wir zwar schön ein paarmal gewesen aber aus unserer Sicht, ist diese Sehenswürdigkeit immer wieder einen Besuch wert.

Auch Gamla Linköping (das alte Linköping), das lebende Freilichtmuseum in der Innenstadt von Linköping können wir wärmstens für einen Besuch empfehlen. Gegen 11.00 Uhr erwacht die Gamla Stad zum Leben – die Krämer in alter Tracht bauen ihre Waren vor der Tür ihrer Läden in der Herbstsonne auf, Blumen werden verkauft (überraschenderweise in der ehemaligen Bank J), das Café – man kann es sich denken – hat schon geschlossen und wird gerade neu gestrichen. Auch die Dame vom ehemaligen Postamt ist schon im Winterschlaf und steht stocksteif vor ihrem Regal – wir wollen aber der Figur ihre Unbewegtheit nachsehen.

Wir erfreuen uns an dem Gefühl, wie dieser Stadtteil langsam erwacht und man sich automatisch 100 Jahre zurückversetzt fühlt.

Zwisch Kisa und Eksjö lassen wir uns noch einmal vom „Kringel“ leiten und erreichen das Smedstorps Dubbelgard. Es handelt sich hier um eine Ansammlung von hölzernen Lager- und Wohnhäusern aus gotischer Zeit, die aber nicht nur Museum sind, sondern von den Bauern, die ein paar Meter daneben eine neues Haus gebaut haben, auch weiterhin genutzt werden. Die Besonderheit ist nicht nur das Alter der Häuschen, sondern auch die Tatsache, dass zwei Höfe direkt nebeneinander gebaut worden waren, was zumindest damals völlig unüblich war.

Unaufhaltsam nähern wir uns dem Wohnort unseres Sohnes in Südschweden, den wir natürlich auf unserer Tour besuchen wollen. Er baut selbst Obst und Gemüse an und seine Partnerin produziert eigenen Honig. Die mechanische Schleuder zur Gewinnung des Honigs hatten sie von einem alten Mann geschenkt bekommen.

Die Nutzung gebrauchter Gegenstände ist übrigens in Schweden sehr weit verbreitet; man sieht daher öfter am Straßenrand Schilder mit der Aufschrift ‚Loppis‘ die auf den privaten Verkauf von gebrauchten Gegenständen hinweisen. Also eine Art Offline-ebay.

Noch ca. eine Woche werden wir unterwegs sein – aber das ist Stoff für den nächsten Beitrag.

Weiter in den Norden (Schweden 2021_4)

Immer wieder bleiben wir an Stromschnellen stehen und fotografieren die wilde Natur mit dem glasklaren Wasser (Das Wasser sieht nicht nur sauber aus, sondern ist auch wesentlich reiner als unser Trinkwasser daheim).

Auf der Wildnisstraße nähern wir uns dem Scheitelpunkt. Wir haben die Baumgrenze bei etwas mehr als 700 Höhenmetern hinter uns gelassen – hier oben gibt’s nur noch Gras und Flechten. Der Scheitelpunkt liegt im Gebiet Stekenjokk, ist 876m hoch und wir haben die Grenze nach Lappland überschritten. Viele Wohnmobile tummeln sich auf dem an sich öden Parkplatz, ein paar Steinmännchen zur Besänftigung der Trolle sind aufgeschichtet worden und in sicherer Entfernung grasen ein paar Rentiere.

Nach einer Kaffeepause geht’s wieder runter; wir passieren einen See mit vielen grünen Inselchen und Halbinselchen und auch einen Felsen mit Namen Röberg am Klimpfjell. Die Nachmittagssonne strahlt den Felsen an, er leuchtet in einem warmen Rot und jetzt ahnen wir auch, dass Röberg einfacher ‚roter Berg‘ heißt.

Gegenüber dem größten Samidorf Fatmomakke genießen wir die Abendsonne auf einem Naturcampingplatz.

Und das ist gut so, denn am nächsten Morgen wachen wir bei bedecktem Himmel und immer wieder etwas Nieselregen auf. Das hält uns aber nicht davon ab, das Samidorf zu besichtigen. In einem Gebetshaus, das den Charakter einer Minikirche hat, gibt es in der Mitte eine offene Feuerstelle – das ist in einer ‚Kirche‘ wohl eher nicht alltäglich. Die eigentliche große Holzkirche wird mit schweren eisernen Öfen beheizt.

Wir lernen, dass man aus krummen Ästen Designstühle bauen kann, wie man Samihütten mit geschälter Baumrinde wasser- und winddicht bekommt und dass ein TaufSTEIN nicht immer aus Stein bestehen muss, sondern auch mal aus einem Baumstumpf. Und wir lernen auch, dass Birkenpilze eine enorme Größe erreichen können.

Gerade noch bevor es richtig anfängt zu regnen, erreichen wir wieder unseren Rudolph und fahren zurück auf die Wildnisstraße. Der nächste Stopp liegt am Trappstegforsen; das sind Schwedens breiteste Stromschnellen, bei welchen das Wasser über zig treppenartige Stufen(daher der Name) nach unten rauscht. Es dominieren die Grautöne auf unseren Fotos und wir sind froh, dass unsere Kamera auch bei Regen noch einwandfrei funktioniert.

Rasch zurück ins Auto und einem Abzweig gefolgt, der laut Aussage eines Mannes, den wir am Stekkenjok getroffen hatten, zu einem absolut idyllischen Rastplatz bei einer Wassermühle führt. Die Idylle wäre wirklich besonders erwähnenswert, wenn es nicht kontinuierlich regnen würde. Trotzdem finden wir es anerkennenswert, dass solche tollen Rastplätze für Jedermann kostenlos zur Verfügung stehen. Und man glaubt es kaum, es gibt sogar ein Gästebuch, in das wir uns natürlich gerne  eintragen.

Auf der unbefestigten Straße zur Mühle zeigte uns ein Schild, dass wir gerade den 65. Breitengrad überschritten hatten.

Bei 66° 33 Minuten wäre der Polarkreis – also nicht mehr weit. Auf dem Rückweg folgen wir dem Hinweis, dass es in Richtung Marsfjell ein Café gibt, das auch tatsächlich geöffnet hat. Rudolph besudelt sich auf der regennassen, unbefestigten Straße gehörig – aber das gehört einfach dazu, wenn man mit uns verreist. In einem Holzhaus gibt es einen Miniladen und im nächsten Raum laden ein paar Tische inmitten von alten Kameras, exotischen Bierflaschen und allerlei anderem Tand, der museumsartig ausgestellt wird, zu einem Kaffee ein. Wir sind die einzigen Gäste, der Eigentümer erzählt uns, dass er sich mit Laden und Café und allerlei anderen Jobs sein Einkommen sichert. Der Sommer sei etwas kurz aber er fühlt sich wohl und er weist auch noch einmal auf die vorzügliche Wasserqualität in dieser Gegend hin. Vor dem Haus fällt uns noch ein Kasten mit der Aufschrift ‚Boklada‘ auf, der mit einem einfachen Riegel verschlossen ist. Drinnen finden sich jede Menge gebrauchter Bücher; der Kasten ist also praktisch die örtliche Leihbücherei.

Wir lassen uns vom schlechten Wetter nicht aufhalten und fahren beim Kraftwerk von Stalon zu einem 2km entfernten Aussichtspunkt hoch. Wie nicht anders zu erwarten, haben wir oben beste Aussicht ins Innere von Wolken – außerdem pfeift der Wind.

Also fahren wir wieder runter und übernachten auf einer Halbinsel am Fluss. Am nächsten Morgen versuchen wir das Ganze noch einmal und siehe da, der Ausblick ist wirklich sehenswert. Über viele Kilometer reihen sich Seen und Wälder aneinander – dünn besiedeltes Gebiet eben.

Es hat auch aufgehört zu regnen, so dass wir die ersten Figuren des Sagenweges, der hier auf den letzten Kilometern vor Vilhelmina zusammen mit der Wildnisstraße verläuft ansehen können, ohne besonders nass zu werden. Zum Glück sind die Figuren aus Holz, denn sonst würde die Geige spielende Schönheit, die nackt auf einem Stein im Fluss sitzt, wohl erbärmlich frieren.

Apropos frieren; 15km vor Vilhelmina, in Malgovik, wurde 1941 der Kälterekord von -53°C gemessen. Heute ist die Lage weniger kritisch, wenn auch nicht besonders angenehm; das Thermometer zeigt +7°C und es weht ein kalter Wind.

Auf der Suche nach einem Übernachtungsplatz stellen wir fest, dass ein Naturcamp nicht mehr existiert und landen letztendlich am Vojmsjödamm bei einer Funkstation.

Kein spektakulärer Platz aber sehr ruhig. Die Holzkirche in Stensele soll die größte Holzkirche Schwedens sein und daher planen wir statt Natur einmal eine Besichtigung. Das Kirchenschiff ist riesig – zumindest für eine Holzkirche. Mehrere gusseiserne Öfen können im Winter für angenehme Temperaturen sorgen; an sich ist das Interieur skandinavisch schlicht gehalten. Wegen Corona werden die Kirchenbesucher gebeten, nicht so nahe beieinander zu sitzen. In Deutschland wären die Plätze, die nicht benutzt werden sollen wahrscheinlich gesperrt oder mit einem Verbotsschild gekennzeichnet – in Schweden sind die Plätze, die benutzt werden dürfen mit einem Smiley gekennzeichnet. Gleiches Ziel unterschiedlich Ansätze – eine Managementregel besagt: „Make it Fun“, dann bekommst Du das gewünschte Ergebnis – genau das ist hier umgesetzt.

Stensele ist ein Vorort von Storuman. Unweit des Ortseingangs an der Auffahrt zum Stenseleberg steht eine 7m hohe hölzerne Wikingerfigur, die wohl so eine Art Türsteher  für den Ort darstellen soll.

Wir fahren zum zwei Kilometer entfernten Aussichtspunkt auf dem Stenseleberg und erklettern den dortigen Aussichtsturm. Eine Infotafel zeigt uns, dass man bis zum Marsfjell schauen kann und das ist nun wirklich sehr weit entfernt – und trotzdem kann man die Umrisse deutlich erkennen – sehe beeindruckend.

Ganz nah bei Storuman erkennen wir eine Halbinsel, die über eine Hängebrücke zu erreichen ist. Obwohl die Brücke für 25t zugelassen ist, knarzt sie sehr bedenklich als wir drüberfahren.

Der Platz für die Kaffeepause am Storumansee soll aber nicht auch Übernachtungsplatz sein. Wir wollen auf dem Stenseleberg mit Aussicht übernachten. Am nächsten Morgen ist die Aussicht fast noch besser – leider hat das Café wegen Saisonende nicht mehr geöffnet und so haken wir den Punkt „Essen und Trinken“ damit ab, dass wir eine Familie stattlicher Steinpilze für’s Abendessen ernten.

Wir wollen entlang des oberen Vindelälven in ein Seitental bis Ammarnäs fahren – weiter würde es ohnehin nicht gehen, denn in Ammarnäs endet die Straße. Mehrere Forsen (Stromschnellen) sind in unserer Karte als sehenswert eingezeichnet. Auf den ersten Forsen wird zwar an der Straße hingewiesen aber es gibt weder eine Parkmöglichkeit noch einen erkennbaren Pfad dorthin. Also knöpfen wir uns den Dunderforsen vor. Durch Matsch und über Felsbrocken kraxeln wir immer dem Geräusch des rauschenden Wassers nach und siehe da, wir erreichen die Stromschnellen.

Kurz vor Ammarnäs haben sich die Fliegenfischer in den Fluss gestellt und versuchen ihr Anglerglück.

In Ammarnäs gibt es eine Sehenswürdigkeit: Den Potatisbacken, was so viel wie ‚Kartoffelberg‘ heißt. Hier oben sind die Sommer kurz, Kartoffeln würden nicht reif werden. Also hat man sie wie Weinstöcke an den Hang eines Berges gepflanzt. Die Felsen unter der Erdschicht speichern die Sonnenwärme und lassen so die angepflanzten Kartoffeln gedeihen.

Ansonsten verlockt uns das Dorf nicht zum Bleiben und wir beschließen einige Kilometer zurück zu einem Fischercamp zu fahren. Dort strahlt die Sonne noch und es ist mehr als angenehm, draußen zu sitzen.

Als wir vor einiger Zeit am Flatruet waren, hatte mir ein Mann von einer App erzählt, die die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Polarlichtern am jeweiligen Aufenthaltsort anzeigt. Da der Himmel völlig wolkenlos ist, starte ich spaßeshalber die App und bin völlig aus dem Häuschen als sie mir für heute eine Wahrscheinlichkeit von 83% für die Beobachtung von Nordlichtern zeigt. Je später es wird umso größer werden die Wahrscheinlichkeitswerte. Banges Warten, bis es um 22.30Uhr einigermaßen dunkel ist und schon springt die App auf 100%. Raus aus dem Auto, Kamera mit Stativ aufgebaut und den Himmel abgesucht. Tatsächlich tauchen immer wieder grünliche Schlieren auf und verschwinden nach kurzer Zeit wieder um an anderer Stelle wieder aufzutauchen. Mit der Kamera muss man schnell sein aber es hat geklappt; wir haben das erste Mal in unserem Leben Nordlichter live gesehen und es sogar geschafft sie zu fotografieren. Dieses Highlight ist schwer zu toppen.

Selig vor Glück gehen wir wieder aus der Kälte der Nacht in die Wärme unseres fahrenden Wohnzimmers, schlafen gut und können am nächsten Morgen wieder bei strahlendem Sonnenschein auf der Wiese am Fluss frühstücken. Auf dem Weg im Tal zurück kreuzen wir wieder die typischen  Stromschnellen von kleineren Flüssen und Rentiere kreuzen unseren Weg.

Sorsele hat sich mit der Strandpromenade wie ein Kurort rausgeputzt und wir können auch unsere Vorräte in den Supermärkten ergänzen.

Im Systembolaget, der Verkaufsstelle für alkoholische Getränke, finden wir einen argentinischen Rotwein, den wir auch von zuhause kennen. Überraschend für uns ist nur, dass er im Land für teuren Alkohol weniger kostet als bei uns zuhause. Alle anderen Getränke, egal ob Schnaps oder Wein, sind allerdings richtig teuer. Das verstehe wer will.

Die nächste Station ist Arvidsjaur, was jeweils im Winter zu hektischem Leben erwacht, wenn internationale Autofirmen die Wintertauglichkeit ihrer Fahrzeuge auf den zugefrorenen Seen testen. Jetzt macht der Ort vom Aussichtsturm gesehen einen geruhsamen Eindruck.

Wir schlagen beim Aussichtsturm unser Lager auf und werden mitten in der Nacht von Jugendlichen aus dem Schlaf gerissen, die – scheinbar einfach um uns zu stören – zeigen wie laut man in den Autos Musik machen kann und wie sehr man die Motoren aufheulen lassen kann. Da wir in keiner Weise darauf reagieren, verlieren sie nach einer halben Stunde die Lust und ziehen wieder ab.

Zufällig wache ich noch einmal um 6.00Uhr früh auf. Es ist natürlich schon taghell und ich traue meinen Augen nicht; Arvidsjaur ist unter einer Nebelbank versteckt und nur ein paar Häuschen ragen aus dem sonnenbeschienenen Nebel auf. Natürlich muss ich das fotografisch festhalten. Zufrieden und mit schönen Bildern gehe ich nach ein paar Minuten zum Weiterschlafen ins Auto zurück.

Ausgeschlafen besuchen wir noch ein aus 80 Gebäuden bestehendes Samidorf mitten in Arvidsjaur. Heute, am Sonntag, findet dort am jährlichen Versammlungstag der Sami sogar ein Freiluftgottesdienst statt.

Wir machen uns auf den Weg und nehmen uns vor, 15km Schotterpiste bis zum Trollforsen nicht zu scheuen, denn was sind schon 15 weitere Kilometer bei so vielen Schotterstraßen, die wir bislang befahren hatten.  In der strahlenden Sonne ist auch der Trollforsen wieder ein echtes Naturhighlight, so dass unsere Fotos fast schon künstlich geschönt aussehen.

Nochmals 15km Schotterpiste zurück und dann biegen wir auf die gut ausgebaute E45 in Richtung Polarkreis auf. Wir kommen durch tundraähnliche Landschaft und stutzen als wir große weiße Flächen auf den Bergen neben der Straße sehen. Das müssen wir erkunden: Wir biegen in das im Sommer extrem öde wirkende Skidorf Kabdalis ab und stellen fest, dass irgendetwas mit riesigen weißen Planen abgedeckt ist. Trotzdem das Dorf ausgestorben ist, treffen wir einen Mann, der das Rätsel löst. Unter den Folien liegen Schneeberge, die wieder zum Einsatz kommen werden, wenn die Skisaison hier am 9.Oktober beginnt – einer der frühesten Termine in Europa. Sicher sieht das Dorf mit Schnee viel einladender aus….

Am Polarkreis gibt es einen Parkplatz und ein Café, in dem man sich ein Zertifikat ausstellen lassen kann, das attestiert, das man am Polarkreis gewesen ist… wenn das Café offen hätte und nicht am Zugang ein Schild die Besucher darauf hinweist, dass wegen Saisonende bereits geschlossen ist und man sich auf den Besuch im nächsten Sommer freuen würde. Also kein Zertifikat und nur Fotos machen.

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass nördlich des Polarkreises die Sonne im Sommer nicht mehr unter geht und im Winter nicht mehr aufgeht. Was ist nicht wusste, ist, dass die genaue Position des Polarkreises nicht fix ist, sondern wandert, um dann in ein paar Jahrtausenden wieder an der selben Stelle zu sein. Wir haben in Jokkmok, ein paar Kilometer weiter den nördlichsten Punkt unserer Reise erreicht und werden voraussichtlich an der Ostküste wieder in den Süden fahren.